Rücksichtslos
Hauses setzte sich in einen dritten der großen dunkelgrauen Sitzmöbel. Katharina hatte das Gefühl, in den Kissen zu versinken, und bevor ihr Gegenüber etwas sagen konnte, reckte sie sich und begann, selbst zu reden. Ihre triefende Nase ignorierte sie.
„ Frau Beauchamps. Wenn ich uns kurz vorstellen dürfte: Mein Name ist Bergen und das ist mein Kollege Lauter von der Frankfurter Kripo. Wir suchen zwei vermisste Frauen.“
Die Hebamme schaute sie verlegen an.
„ Oh. Pardon. Jetzt dachte ich, sie wären werdende Eltern. Verzeihen Sie bitte.“
„ Keine Ursache.“ Thomas zog Bilder der beiden Frauen aus der Innentasche der Jacke, die auf seinem Schoß lag.
„ Sie sagten, Sie suchen zwei vermisste Frauen. Wie kann isch Ihnen da elfen?“, fragte Frau Beauchamps verdutzt.
„ Genauer gesagt suchen wir die Identität von zwei Frauen“, antwortete Katharina. „Die beiden hatten einen Unfall, können sich an nichts erinnern und niemand scheint sie zu kennen. Wir nehmen an, dass beide irgendwann vor ihrem Unglück ein Kind auf die Welt gebracht haben. Aus diesem Grund fragen wir momentan bei Hebammen und in den Geburtskliniken nach. Vielleicht erkennt jemand eine oder sogar beide Frauen.“
Thomas legte der Hebamme zwei Bilder vor, die vom Polizeifotografen computertechnisch derart verändert worden waren, dass nicht zu erkennen war, dass es sich um Tote handelte. Die Frauen wären dennoch einwandfrei zu identifizieren, sollte sie jemand wirklich kennen. Frau Beau champs nahm die Fotos in die Hände und studierte sie eingehend. Dann schüttelte sie bedauernd den Kopf.
„ Tut mir Leid. Isch kenne die beiden jungen Frauen nischt. Arme Mädchen. Sie erinnern sich an Nischts? Das ist ja schrecklisch!“
Mit offensichtlichem Entsetzen gab sie Thomas die Bilder zurück. Die beiden Kommissare zogen ihre Jacken wieder an und verabschiedeten sich.
Die beiden nächsten Gespräche verliefen ähnlich. Sie machten sich Notizen zu den Befragungen. Auch zu den spontanen Reaktionen. Bislang hatten Katharina und Thomas jedoch keinen Erfolg nachzuweisen. Wenn sie ehrlich waren, hatten sie auch nicht damit gerechnet. Nach einer kurzen Pause, in der sie im Auto ein belegtes Brötchen aßen, fuhren sie weiter. Wie meistens steuerte Thomas den Wagen. Mit einem Zischen öffnete Katharina eine Colaflasche und trank in mehreren Schlucken die halbe Flasche leer. Sie meinte augenblicklich zu spüren, wie Zucker und Koffein in ihrem vom Schnupfen benebelten Gehirn anfluteten. Ein leiser Rülpser entwischte ihr, und sie blickte Thomas entschuldigend an. Der grinste zwinkernd zurück. Wenig später hielt er vor der letzten Adresse. Die Haustür sah wenig einladend aus. Die hellbraune Holztür hatte dringend einen Anstrich nötig. Zwischenzeitlich war wieder Wind aufgekommen, und gerade vor diesem Haus schien er besonders eindringlich zu blasen. Zu allem Überfluss fing es, kaum dass sie ausgestiegen waren, wie aus Eimern an zu regnen, sodass Thomas und Katharinas Hosen innerhalb kürzester Zeit durchnässt waren. Ihre Jacken hielten zum Glück noch dicht. Sie drehten sich mit dem Rücken gegen den Wind. Thomas drückte ungeduldig ein drittes Mal auf den alten runden Klingelknopf. Gerade wollten sich beide, mittlerweile vor Kälte schlotternd, zu ihrem Fahrzeug umdrehen, als eine verzerrte weibliche Stimme aus der rauschenden Türsprechanlage neben der Klingel erklang.
„ Wer ist da?“
„ Kripo Frankfurt“, antwortete Katharina. Es dauerte ein paar Sekunden. Dann vernahmen sie die Stimme erneut.
„ Was kann ich für Sie tun?“
„ Wir suchen nach der Identität von zwei Frauen.“
„ Was?“
Katharina wiederholte ihre Antwort.
„ Was?“
Katharina war mittlerweile maximal genervt und zwang ihre vor Kälte zitternde Stimme zur Ruhe.
„ Öffnen Sie bitte die Tür, damit wir uns besser unterhalten können.“ Aus dem Lautsprecher ertönte ein Knacken. Eine Ewigkeit lang passierte nichts. „Diese Frau geht mir schon jetzt auf den Senkel . “ Auch Thomas’ Lippen zitterten vor Kälte.
Endlich öffnete sich laut knarrend und quietschend die Haustür. Eine dicke Frau mittleren Alters blickte sie misstrauisch an. Sie war ein wenig kleiner als Katharina und sah sie aus grauen Augen misstrauisch an, wobei ihr Blick rasch zwischen beiden Kom missaren hin- und herhuschte.
„ Kann ich Ihre Ausweise sehen?“, fragte sie mit leiser hoher Stimme, die gar nicht zu ihrem Äußeren passte.
Diese Person gehörte zu den
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