Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
Kirstys verstohlen geballte Faust vor Begeisterung aufspringen. Wild applaudierend spähte ich hinüber und weidete mich an Richards Anblick, der beunruhigt das Feld fixierte. Auf seinem Gesicht und dem von Lolas Trainer malte sich Verwirrung; wieder schaute Lola ratlos hinauf, doch die erwartete Hilfe blieb aus. Das Gleichgewicht hatte sich verschoben.
Ich hatte Bedenken, dass Kirsty, geblendet von der Vorahnung des Ruhms, ihren Vorteil verspielen könnte – auch mein eigenes Herz pochte heftig, und ich fühlte, dass mich der Glanz des Pokals an ihrer Stelle bestimmt zu Fehlern verleitet hätte. Doch es war Lola, die allmählich einbrach, während die Luft immer stickiger wurde und die immer noch hoch über der Tribüne stehende Sonne unbarmherzig herabbrannte wie ein breiter Flutlichtstrahl. Lolas Reflexe funktionierten noch, aber ihr Urteilsvermögen ließ nach und trieb sie dazu, die Schläge zu stark zu forcieren wie Kirsty am Anfang. Selbst ihr aloisigeschultes Temperament bekam Risse. Nach einer zweifelhaften Entscheidung gegen sie mitten im Satz unterbrach sie das Spiel und richtete gereizte, sinnlose Klagen an den Linienrichter und den Schiedsrichter (die freundlich zurücklächelten wie Schulbibliothekare). Kirsty wandte das Gesicht ab, um ihr eigenes zufriedenes Lächeln zu verbergen. Ausbrüche gegen Offizielle waren vielleicht für die McEnroes dieser Welt wirksame Waffen, aber bei einer normalerweise gelassenen (und selbstsicheren) Spielerin rochen sie nach einer drohenden Schlappe.
Nachdem sie die mentale Schlacht gewonnen hatte, musste Kirsty jetzt nur noch diszipliniert bleiben und abwarten, bis sie nach einer ganzen Reihe von Fehlern ihrer zunehmend entnervten Gegnerin das ersehnte Ziel vor Augen hatte. Beim Stand von 4:1 für Kirsty machte sich Lolas Trainer auf den Weg nach unten, um sie vor der unvermeidlichen scharfen Kritik noch ein wenig zu trösten. Richard blieb sitzen, und eine ungewöhnliche Bedrücktheit grub Falten in das Gesicht, das schon so viele Dankesreden gehalten hatte. Der Lack seiner Klientin bröckelte, und die weniger elegante Kirsty – die ihren Schläger schwang wie eine Waffe, als sie Lola in eine Ecke drängte, um ihr den Gnadenstoß zu versetzen – war dabei, zwei Dämonen gleichzeitig auszutreiben. Als der entscheidende Ball an Lola vorbeizischte, die es schon längst aufgegeben hatte, den schwierigeren Schüssen nachzujagen, sprang ich mit einem Schrei auf, der so laut war, dass sich die Offiziellen in den vier Reihen vor mir umwandten, um mich neugierig oder missbilligend zu mustern. Ihren beflissenen Beifall übertönte ich mit meinen begeisterten Rufen, als Kirsty beglückt zum Spielfeldrand trabte. Lola zog sich ganz schnell an und schlich verwirrt und mit hängendem Kopf davon – Ausdruck einer unerwarteten Niederlage. Richards Körpersprache spiegelte nicht ihre wider, aber meine mit Sicherheit die Kirstys. Wir hatten gewonnen.
Draußen trugen bereits die ersten aufbrechenden Zuschauer die Nachricht von dem sensationellen Ergebnis hinaus in die Welt; die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer, bis es überall am Horizont zu brodeln schien. Aus jeder Gruppe, an der ich vorbeikam, lösten sich Menschen mit bestürzter oder in vielen Fällen auch bedrückter oder erstaunter Miene. Lola hatte viele Fans auf dem Campus, und ich strahlte die Passanten gütig an in dem Gefühl, sie alle bezwungen zu haben. Erst nach und nach, als ich in den bleichen Gesichtern der Dahinhastenden forschte und versuchte, Bruchstücke von Unterhaltungen zu verstehen, dämmerte mir, dass da noch etwas anderes im Gange war, dass die Kunde von einem anderen Drama wie eine Krankheit von einem Überträger zum nächsten sprang. Neben einem Imbissstand schluchzte eine Frau, und ein Offizieller wiederholte ständig »Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich weiß nicht, was ich tun soll« in ein Walkie-Talkie, als erhoffte er sich von dem Gerät eine Antwort. Sponsorenvertreter in logoübersäten T-Shirts scharten sich zu unheilvollen Haufen zusammen. Alles Anzeichen einer Katastrophe, deren Fäden mein Verstand jedoch erst zusammenführte, als mir hundert Meter vor meinem Hotel ein Offizieller die Hand auf die Schulter legte. »Sind Sie Dr. Peter Kristal?«
Und mit einem Schlag, ohne dass er etwas hinzufügen musste, wusste ich es.
Überall um das Gebäude, in dem Webster wohnte, drängten sich die Menschen – Polizisten, Schaulustige, Sportler, Fotografen. Ein bestürztes
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