Rückwärtsleben: Roman (German Edition)
hatte nur noch die Wut und Verbitterung vor Augen, die aus mir herausquollen wie das Blut aus meiner Nase. Ich kündigte Macguire meine Absicht an, mich am Nachmittag nach dem Tennisfinale mit Webster zu treffen, und bat ihn (mit leichtem Zögern), sich in meinem Namen zu entschuldigen, falls ich Webster gekränkt hatte. Macguire nickte und starrte über den Zaun, der den Trainingsplatz von der Hauptarena trennte. Was zwischen mir und seinem Schützling vorgefallen war, interessierte ihn nicht weiter. Er sah nur noch die Tartanbahn, auf der sich in wenigen Stunden entscheiden würde, ob Webster und ihm ein kometenhafter Aufstieg bevorstand.
Die Ränge um den Tennisplatz waren voll, und Lola und Kirsty lupften bereits höfliche Übungsbälle übers Netz, als ich mich auf meinem Platz im Betreuerbereich niederließ, nur durch eine Handvoll Offizieller, die die Augen vor der inzwischen glühenden Sonne schützten, von Richard getrennt. Es heißt, dass jede Verschlechterung der Spielbedingungen den Außenseiter begünstigt, und so war es denn auch Lola, die gelegentlich einen skeptischen Blick hinauf zum Himmel warf. Als der Schiedsrichter den Spielbeginn ankündigte, kehrte sie noch einmal zu ihrem Sitz zurück, um einen letzten, langen Schluck des gemeinsam von drei Sponsoren gestellten Energiegetränks zu nehmen. Dabei hatte ich Gelegenheit, die »perfekte« Figur zu begutachten, die Kirstys Selbstbild solche Wunden zugefügt hatte. Lola war tatsächlich feingliedrig gebaut, sieben Zentimeter größer als Kirsty und so gleichmäßig proportioniert wie eine Statue. Über ihr an einem Ende des Platzes zeigte ein riesiges Transparent, das sich bei verschiedenen Firmen bedankte, die ziemlich ähnliche Figur einer weltbekannten Spielerin, und man konnte sich leicht vorstellen, dass an dieser Stelle schon bald mit Lola geworben wurde. Ihr Benehmen hatte etwas Gelassenes und Angemessenes an sich, das in scharfem Kontrast zu Kirsty stand, die auf der anderen Seite herumhüpfte und -zappelte, weil ihr das Adrenalin einen Energiestoß nach dem anderen durch den Körper jagte.
Wie vielleicht schon bei früheren Begegnungen zwischen den beiden, erwies sich das Adrenalin bald als Ölteppich für Kirstys Technik. In den ersten Spielen rannte sie zu schnell und traf zu eifrig mit angestrengten, unnatürlichen Geräuschen, die sich mit dem leichten, kontrollierten Klacken von Lolas Grundschlägen abwechselten. Nach kurzer Zeit lag Kirsty im ersten Satz 5:2 hinten, und ihre Gegnerin bereitete sich auf den Aufschlag für das Spiel vor, mit dem sie die erste Hälfte ihres nächsten Sieges besiegeln konnte. Während Richard leutselig mit ihrem Trainer plauderte und sie laut anfeuerte, suchte ich unruhig nach Zeichen der Resignation in Kirstys Gesicht. Doch stattdessen blickte sie zu mir auf und warf mir ein unerwartet selbstsicheres Lächeln zu. Von all den winzigen Momenten des Einverständnisses, die ich mit Frauen aus dem Showgeschäft und dem Sport geteilt hatte, war dies der vollkommenste und erfreulichste. In den nächsten Minuten war ich so glücklich, als wäre der Spielstand umgedreht worden. Und dann passierte erstaunlicherweise genau das.
Kirstys Mutter, die dem Finale auf Wunsch ihrer Tochter ferngeblieben war (mit der Begründung, dass ihre Anwesenheit Unglück bringe), die aber den größten Teil der Partie in einer Fernsehaufzeichnung sah, sagte später, dass Kirsty noch nie so gut gespielt hatte. Es fing mit kleinen psychologischen Anreizen an – ein überraschender Treffer hier, ein Fehler von Lola da, bis sie das Spiel gewonnen und den Rückstand auf zwei verkürzt hatte –, und diese wurden zum Fundament für einen Turm des Selbstvertrauens, der zunächst zögernd und dann immer müheloser wuchs. Schließlich hatte sie ausgeglichen. Das Schrumpfen ihres Vorsprungs brachte Lolas Beherrschung ins Wanken. Ihr Gesicht bei den Seitenwechseln sprach Bände. Verzweifelt warf sie immer wieder Blicke zu uns herauf und schien nicht unbedingt zufrieden mit Richards gerecktem Daumen und seinen anderen beschwichtigenden Gesten. Inzwischen balancierte Kirsty ihr Racket auf den Knien und ließ es mit geschickten, von Selbstbewusstsein beflügelten Fingern kreisen. Sie hatte die Spitze ihres Turms erklommen und sah ihre Rivalin in klarerem Licht. Der Satz ging in den Tiebreak, und nur eine Spielerin strahlte Siegessicherheit aus. Als Lola den entscheidenden Schlag mit einem enttäuschten Aufschrei ins Netz setzte, ließ mich
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