Ruegen Ranen Rachedurst
passierte auch Routiniers immer wieder.
Manchmal stellte man das Malheur erst anhand der Tatort-Fotoauswertung fest. Aber dann nützte es einem nur herzlich wenig, wenn man erkannte, dass da mal etwas gewesen war, was man hätte untersuchen können. Ein Fleck, eine Spur, ein Gegenstand, der für unwesentlich gehalten worden war. Was auch immer!
Dr. Gratzow war ein Mann, der kaum noch Haare auf dem Kopf hatte – und die wenigen, die da noch wuchsen, waren so kurz geschnitten, dass Beneckes Bürstenschnitt dagegen schon fast wie die Frisur eines Hippies wirkte – von Georges Lockenpracht einmal ganz abgesehen.
„ Sie sind also der Bier-Doc“, sagte Benecke grinsend, als er Gratzow die Hand gab, und spielte damit auf die Information über die Doktorarbeit des Gerichtsmediziners an.
„ Tja, kann man so sagen“, gab Gratzow lächelnd zurück.
„ Und ich bin der Maden-Doc!“
Nachdem auch Hauptkommissar Jensen und George den Gerichtsmediziner begrüßt hatten, meinte Gratzow: „Hauptkommissar Jensen hat mir ja am Telefon mitgeteilt, dass Sie aus Funk, Fernsehen und Büchern bekannt sind.“
„ Na ja, ich will mal nicht übertreiben!“, sagte Benecke.
„ Ich wollte nämlich gerade sagen: In meinem Job kommt man leider weder zum Fernsehen noch zum Lesen.“
„ Ich habe noch nie einen Fernseher besessen! In unserem Beruf findet man fachliche Informationen auch besser in Fachzeitschriften und dem Internet. In Ihrem vorläufigen Bericht steht etwas davon, dass der Tote Ranen-Met getrunken hatte“, lenkte Benecke nun das Gespräch auf den Kern der Sache. „Können Sie mir etwas mehr Auskunft darüber geben?“
„ Oh, was die Analysemethode angeht …“
„ Nein, nein“, wehrte Benecke kopfschüttelnd ab. „Ich meinte diesen Met selbst. Wo kann man den kaufen? Was ist das Besondere daran?“
„ Also, angeblich haben die Ranen früher so etwas getrunken und es gibt Leute, die behaupten, dass es nach einem original ranischen Rezept hergestellt sei. Aber das ist meiner Ansicht nach Unfug. Ich habe dazu auch mal einen Artikel veröffentlicht, den man im Internet aufrufen kann.“
Aha, dachte Benecke. Nun war jedenfalls klar, was Dr. Gratzow wirklich die Zeit zum Lesen und Fernsehen raubte. Sein Job war es wohl nicht ausschließlich. So viele Verbrechen, die von ihm als Gerichtsmediziner unter die Lupe genommen wurden, geschahen schließlich im Einzugsbereich des gerichtsmedizinischen Instituts, für das er arbeitete, wohl auch nicht.
Benecke notierte sich trotzdem die Internetadresse, unter der der Artikel aufgerufen werden konnte.
„ Bei den Ranen spielte eigentlich der Wein eine viel größere kultische Rolle“, erklärte Gratzow dann.
„ Davon habe ich auch schon gehört“, nickte Benecke.
„ Aber wie auch immer, dieser Ranen-Met wird auf der Insel an mehreren Verkaufsstellen angeboten. Der Renner ist das Getränk wohl nicht. Und wenn ich mich nicht für heimische und historische Biersorten interessieren würde, hätte ich vielleicht nie etwas davon mitbekommen, dass es so etwas überhaupt gibt. Ranen-Met ist eine spezielle Biersorte, deren Hauptbestandteil aus gegorenem Honigsaft besteht, wie der Name Met ja schon verrät.“
„ Die Sache ist die, dass wir davon ausgehen können, dass Frank Schneider nicht am Ziegenstein starb, sondern die Leiche dort auf eine besondere Weise drapiert wurde“, erläuterte Benecke.
Gratzow nickte. „Ich habe die Tatort-Fotos gesehen. Schrecklich. Jemanden betäuben und ihm dann – vermutlich noch lebend – den Kopf abschlagen. Derjenige, der das getan hat, muss doch krank sein!“
„ Wir suchen den Tatort“, sagte Benecke. „Und wenn Sie sagen, dass Frank Schneider kurz vor seinem Tod Ranen-Met getrunken hat, dann wäre es doch denkbar, dass …“
„… der Tatort sich in der Nähe einer Ranen-Met-Theke befindet!“
„ Ja, so ähnlich.“
„ Ich kenne nur eine Verkaufsstelle. Ein durchgeknallter Esoteriker. Er betrachtet sich als moderner Svantevit-Priester, und seine Frau versteht sich als neue Hexe. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber harmlos, so würde ich die beiden charakterisieren. Leben in einem schmucken Reetdachhaus. Der Kerl vertickt das Zeug auch an ein paar andere Verkaufsstellen. Ranen-Met soll nämlich gut für die Verdauung, das Herz, die Nieren und noch ein paar andere Organe sein. Aber wenn Sie mich fragen, dann schmeckt es einfach nur scheußlich!“
„ Haben Sie zufällig den Namen und die Adresse dieser Leute?“, hakte
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