Ruegen Ranen Rachedurst
Benecke interessiert nach.
„ Cornelius und Erdmute von Bergen.“
Benecke schaute den Gerichtsmediziner nun doch etwas überrascht an.
„ Der Adel trinkt Met?“
Grinsend schüttelte sein Gegenüber den Kopf. „Nein, nein, von Bergen ist kein Adel. Das bezieht sich einfach nur auf die Kreisstadt Bergen, die sich im Zentrum Rügens befindet. Es gib in Norddeutschland eine erkleckliche Anzahl von diesen Namen, deren Vorfahren niemals Ritter oder Grafen waren.“
„ Adresse?“, fragte Benecke noch knapp nach.
„ Sehen Sie auf der Homepage nach, wo auch der Artikel über den Ranen-Met steht! Da gibt es ein Verzeichnis aller heimischen Bier-Produzenten und ihrer Spezialsorten. Über einen Link sind Sie dann auch auf der Seite der von Bergens.“
Inzwischen war Frau Schneider, die Ehefrau des Ermordeten, im Gebäude der Gerichtsmedizin eingetroffen. Sie war eine attraktive Mittdreißigerin, blond, schlank und zierlich. Ihr Haar war zu einer streng wirkenden Knotenfrisur zusammengefasst. Dem Anlass entsprechend trug sie ein graues, schlichtes Business-Kostüm. Ihre Wangen wirkten eingefallen, und ihre Augen wurden durch eine große, modische Sonnenbrille verdeckt.
Hauptkommissar Jensen kümmerte sich zunächst um sie und stellte ihr Dr. Gratzow als den zuständigen Gerichtsmediziner vor.
Sie musterte ihn abschätzig, dann wandte sie sich George und Benecke zu. „Und wer sind Sie?“
„ Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe“, sagte Benecke. „Es tut mir sehr leid, was mit Ihrem Mann geschehen ist, und ich hoffe, wir können dazu beitragen, alles aufzuklären.“
Frau Schneider gab darauf keine Antwort. Dann wandte sie sich George zu. „Ich will keineswegs, dass die Presse mir zusieht, wie ich meinen ermordeten Mann identifiziere“, erklärte sie harsch.
„ Presse?“, stammelte George verwirrt. „Sieht man das so deutlich? Eigentlich bin ich gar nicht im Dienst, Frau Schneider, sondern helfe nur Dr. Benecke bei den Ermittlungen. Streng genommen sind wir beide zwar im Urlaub, aber …“
„ Sie erwähnen meinen Namen nicht, Sie erwähnen den Namen meines Mannes nicht, und Sie machen keine Bilder!“, verlangte Frau Schneider in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.
„ Ganz wie Sie wollen“, nickte George und verzog dabei sein Gesicht etwas bedauernd.
Frau Schneider deutete dann knapp auf Benecke. „Sie kenne ich aus dem Fernsehen. Deswegen traue ich Ihnen. Und jetzt bin ich dafür, dass wir die Sache endlich hinter uns bringen!“
„ Dann folgen Sie mir bitte!“, forderte Gratzow sie alle auf.
George und Benecke wechselten einen kurzen Blick. Wie eine zutiefst erschütterte Witwe wirkte Frau Schneider nicht gerade!
Gratzow hatte die Leiche bereits so gedreht, dass man die Narbe des entfernten Tattoos sehen konnte. Der Rest war so weit wie möglich mit Tüchern abgedeckt – insbesondere der offene Stumpf des Halses. Frau Schneider sah nur kurz hin. Ihr Gesicht blieb vollkommen unbewegt. Durch die dunkle Sonnenbrille waren ihre Augen nicht zu erkennen. Sie nickte knapp und wandte dann den Kopf zur Seite.
„ Ja, das ist mein Mann!“, murmelte sie dann.
Sie verbarg ihr Gesicht mit den Händen und verharrte so einige Augenblicke.
Hauptkommissar Jensen und George führten sie hinaus, und Dr. Gratzow deckte die Leiche wieder zu.
„ Eine seltsame Frau“, bemerkte Gratzow leise, als die drei den Raum verlassen hatten und die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. „Ich erlebe ja hier alles Mögliche an emotionalen Ausnahmezuständen, aber so einem Eisklotz bin ich bis jetzt noch nicht begegnet.“
„ Vielleicht ist das nur die äußere Schale“, meinte Benecke.
„ Ich muss das glücklicherweise nicht herausfinden“, sagte Gratzow.
Er schüttelte den Kopf. „Die Art und Weise, wie diese Tat begangen wurde, ist schon sehr ungewöhnlich. Ich versuche mir immer vorzustellen, was für ein Mensch das war, der das getan hat.“
Benecke hob die Augenbrauen. „Und, was stellen Sie sich vor?“
„ Das ist jemand mit einem fundamentalen inneren Widerspruch. Auf der einen Seite diese rohe Gewalt – das Abschlagen des Kopfes. Und dann andererseits das Betäuben vorher!“
„ Na ja, das wird ja wohl kaum aus Rücksicht auf den Ermordeten geschehen sein“, meinte Benecke.
„ Wissen Sie das? Ich sehe jemanden, der eigentlich schwach und zurückhaltend ist. Jemand, der innerlich kocht, aber das niemals nach außen bringen würde. Vielleicht sogar eine Frau.“
„ Wieso
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