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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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mir. Nicht mehr.
    Die Wahrheit schwirrte Lydia durch den Kopf wie ein Rätsel, dessen Lösung ihr versagt blieb, obwohl alle anderen es allem Anschein nach bereits vor zwei Wochen gelöst hatten.
    Gütiger Gott. Ich bin eine Närrin.
    Lydia blickte zur Tür. Warum spionierte Sophie durchs Schlüsselloch? Um dabei zuzusehen, wie ihre Schwester sich ganz schrecklich zum Narren machte? Denn genau das hatte sie getan. George hatte zu seiner Liebeserklärung angesetzt – um seine Gefühle für Sophie auszudrücken – und sie war ihm mit ihrem eigenen »Ich liebe Sie!« ins Wort gefallen.
    Herr im Himmel! Wenn sie doch wie Persephone vom Erdboden verschluckt würde und im Hades landete. Noch nie hatte sie jemanden so falsch eingeschätzt. Gerade sie bildete sich so viel auf ihre Beobachtungsgabe ein!
    Leider verschluckte der Erdboden sie nicht. Stattdessen durchdrang ein Schweigen den Salon, das mit jeder Sekunde bedeutsamer wurde und bald nicht mehr zu durchdringen wäre. Doch sie war müde. Papa war so weit weg. An wen sollte sie sich wenden, wenn sie diesen Raum verließ? Papa würde nicht auf sie warten, sie umarmen und necken und sie an die vielen guten Gründe erinnern, warum ein Mann mit Verstand sich glücklich schätzen würde, sie zur Frau zu nehmen. Du bist meine Perle, Lydia. Versprich mir, dass du nie deine Zeit damit vergeuden wirst, dich nach den Falschen zu verzehren .
    Sie musste etwas sagen. Denn schon in wenigen Augenblicken würden ihr die Tränen kommen, und sie könnte es nicht ertragen, wenn George das mit ansähe. Diese Schmach würde ihre Leidensfähigkeit dann doch übersteigen.
    Also holte sie tief Luft. Selbst im tiefsten Entsetzen wusste sie genau, was sie zu sagen hatte – jene mächtigen, bedeutungslosen Worte, die dieser Qual ein Ende bereiten würden. Es gab immer ein Rollenheft, und sie kannte ihren Text nur allzu gut. Und George wartete darauf, zählte sogar darauf.
    Zweifellos, dachte sie plötzlich mit einer ihr fremden Verächtlichkeit, glaubte er sogar, dass diese Worte wirklich etwas bedeuteten.
    Stolz reckte Lydia ihr Kinn empor. »Gestatten Sie mir, Ihnen als Erste zu gratulieren.« Ihre Stimme durfte nicht brechen. Sie bohrte ihre Fingernägel in ihre Handflächen. »Ich weiß, dass Sie sehr glücklich werden.«

1
    Vier Jahre später.
    Bei diesem neuen elektrischen Licht blendete der weiße Marmor. James Durham stützte sich mit den Ellenbogen auf die Balkonbalustrade, faltete die Hände und starrte in seine Empfangshalle hinab. Vermutlich war es ein bisschen zu dramatisch, ein bisschen zu griechisch gewesen, die Empfangshalle mit Steinplatten auszulegen, doch damals hatte er es für den Inbegriff reiner Ästhetik gehalten. Jetzt widerte es ihn an. Zu viel Weiß: eine Empfangshalle wie ein Leichentuch. Totenstill war es, bis auf das Surren der Lichter, wie Geier in der Ferne. Ihm war schwindlig. Sein Mund war trocken. Es wäre so leicht, über das Geländer zu stolpern. Eine unvorsichtige Bewegung, ein süßer Schwanensprung in die Tiefe, und der Boden wäre nicht mehr ganz so weiß.
    Erschaudernd atmete er aus. Er trat zurück, und sein Kopf schien sich von seinen Schultern in die Luft zu erheben. Gütiger Himmel. Nie wieder würde er einen von Phins selbst gebrauten Tränken ausprobieren.
    Hmmm, dieser Vorsatz kam ihm … vertraut vor. Als hätte er ihn schon einmal gefasst. Sogar mehrfach. Wie unverbesserlich er war. Er lachte leise. Ja, wie vorhersehbar, ermüdend unverbesserlich.
    »Sanburne!«
    Das Wort bohrte sich in sein Bewusstsein, zerstreute den Nebel. Mit Schrecken wurde ihm klar, dass es nie totenstill gewesen war. Musik, Gelächter und schrilles Kreischen drangen die Treppe hinab. Natürlich, stimmte ja! Er hatte gut zwanzig Gäste dort oben. Seit gestern Abend war eine Feier im Gange, und er war der Gastgeber. »Verdammter Mist«, sagte er, und das Erstaunen in seiner Stimme klang so komisch und übertrieben, dass er wieder lachen musste.
    » Sanburne !« Er kam jetzt aus nächster Nähe, der schrille Schrei, der von Elizabeth herrühren konnte oder auch nicht. Ohne direkt hinzusehen wusste er das nie so genau, nicht in diesem Zustand. Dann sieh doch hoch, du Idiot. Ja, hervorragende Idee. Das würde er gleich tun.
    »Sanburne, bist du auf einmal taub ?«
    Mit Mühe hob er den Kopf. Es war tatsächlich Lizzie, sie schien die Treppe hinabzuschweben. Magie? Aber nein; wenn es auf der Welt Magie gäbe, würde sie nicht von Elizabeth verkörpert, egal, wie sehr sie

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