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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Ayresbury, der in der ersten Reihe saß, ihr mit großem Interesse zuhörte. Alles in allem, dachte sie vorsichtig, lief es sehr … gut.
    Die Hoffnung, die sie nun schon seit Tagen im Zaum gehalten hatte, wallte erneut in ihr auf und brach sich Bahn. Sie durchströmte sie mit so schwindelerregendem Tempo, dass sie sogar ins Stottern geriet. »Wenn … äh, wenn die Ergebnisse meines Vaters korrekt sind, deutet das stark darauf hin … «
    Hinten im Saal wurde eine Tür aufgerissen, und ein sehr mitgenommen wirkender Gentleman schneite herein. Sein Anblick ließ sie vor Erstaunen innehalten. Obwohl es schon kurz vor Mittag war, trug er noch Abendgarderobe, einen schwarzen Frack mit Fliege.
    Ein Teil der Zuhörerschaft drehte sich neugierig nach ihm um, als er nach vorne marschiert kam. Ihm folgte ein Diener in grellroter Livree, der in einem Arm einen Paletot und im anderen eine Art Steinsäule trug.
    Ein exzentrischer Nachzügler, zweifelsohne. Aber kein Grund, unsicher zu werden. Lydia rückte ihre Brille zurecht und konzentrierte sich wieder auf den Text. »Das weist stark darauf hin, dass Tell el-Maschuta nicht die Stätte des ersten Halts während des Exodus war.«
    Der Dicke mit den kupferroten Haaren, der neben Lord Ayresbury saß, stieß ein verächtliches Schnauben aus. Lydia blickte nicht auf; das würde sie nur durcheinanderbringen. Er hatte schon die ganze letzte Stunde diese verächtlichen Laute von sich gegeben. Der Teil ihres Gehirns, der nicht mit ihrem Vortrag beschäftigt war, hatte sich bereits Anteil nehmende Worte für seine angegriffene Gesundheit zurechtgelegt. Vermutlich würde man sie später miteinander bekannt machen. Papa hatte sie in einem langen Brief darauf vorbereitet, was sie zu erwarten hatte: Gastfreundschaft vermengt mit Argwohn und feindseligen Einsprengseln, dahin wird der Direktor dich unmittelbar nach der Schlussfolgerung deines Vortrags lotsen. Leg dir ein Rückgrat aus Stahl zu und zeig’s ihnen!
    Schweiß perlte ihr im Nacken, während sie nach der letzten Seite tastete. Mit eben dieser Schlussfolgerung hatte sie tagelang gerungen, weil sie entschlossen war, Papas Resultate möglichst diplomatisch zu formulieren. Seine Daten waren fundiert, machten es aber erforderlich, einen sehr festen Standpunkt gegen die Wissenschaftler zu vertreten, die für sich beanspruchten, Pithom und Sukkot ausfindig gemacht zu haben. Ein paar von ihnen saßen heute im Publikum, und wenn sie beschlossen, sie lächerlich zu machen, wäre das für Papas Antrag auf Fördergelder nicht gerade hilfreich.
    Stahl, erinnerte sie sich. Lord Ayresbury hatte beim Ägyptischen Forschungsfonds ungeheuren Einfluss und war Gerüchten zufolge ein Mann, der Innovationen schätzte. Mit Hilfe seiner Empfehlung würden sie sicher die Gelder des AFF erhalten. Papa benötigte nur noch zwei Forschungseinheiten, um zweifelsfrei zu beweisen, dass er die wahre Stätte ausfindig gemacht hatte, wo der erste Halt des Exodus stattgefunden hatte. Und dann hätten all seine Sorgen ein Ende. Er hätte es nicht mehr nötig, mit Antiquitäten zu handeln. Die Gelder für seine Projekte würden in Strömen fließen, sodass sie Angebote, sie zu unterstützen, sogar ablehnen müssten.
    Dieser Gedanke gab ihr neuen Auftrieb. Er hatte sich das jetzt schon so lange gewünscht, und sie würde es für ihn vollenden. Sie leckte sich über die trockenen Lippen. »Nun, wenn Sie erlauben … «
    »Aha! Da bist du!«
    Der Neuankömmling war auf der Hälfte des Ganges stehen geblieben und sprach zu jemandem, der in einer der Zuhörerreihen saß. Ein Raunen ging durch den Saal.
    »Dann steh mal auf«, forderte der Eindringling. »Verstecken hat keinen Sinn.«
    Lydia wurde ganz anders. Es war wohl alles zu gut gelaufen. Sie hätte den Tag nicht vor dem Abend loben sollen.
    Ihr kluger Vater hatte das natürlich kommen sehen. Und, meine Liebe, sollte ein ungezogener Rüpel dir das Wort entziehen, musst du es dir eben zurückerobern .
    Sie atmete tief durch, stützte sich mit flachen Händen auf das Pult und nahm allen Mut zusammen. »Wenn ich bitten darf«, rief sie.
    Verwundert blickte er auf. Als ob ihm hätte entgehen können, dass hier gerade eine Veranstaltung abgehalten wurde! Er starrte sie an, als versuchte er, sie einzuordnen. Pochenden Herzens (denn sie hatte keine Übung darin, sich das Wort zurückzuerobern , was ihr eine erschreckend martialische Maßnahme zu sein schien) erwiderte sie seinen Blick. Er war ein auffallendes rothaariges

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