Ruf der Dämmerung (German Edition)
seitdem schon ein Tor geschossen und sechs Punkte gemacht. Wenn Ali in der Verlängerung nicht auftaucht, schafft Roundwood es nie.«
Viola fragte sich, wie sie von hier aus am schnellsten in die Kabine kam. Die Gäste aus Killarney mussten irgendwo in der Sporthalle untergebracht sein. Dummerweise lag sie am anderen Ende des von Fans umlagerten Spielfelds. Viola würde es niemals schaffen, bis zum Ende der Pause dorthin durchzukommen. Dabei rasten tausend Fragen durch ihre Gedanken: Was um Himmels willen machte Ahi? Konnten Kelpies Menschen bacha geben? Viola war sich nicht sicher, aber es fand zweifellos ein Austausch statt, wenn sich ihre Seele mit Ahis verband. Und was vermochten die Wesen aus dem See womöglich noch? Durch Violas Kopf jagten Horrorszenarien. Zumindest konnten Kelpie-Mütter Fohlen vor dem Tod retten, indem sie ihre Seele mit einem Amhralough verbanden. Schaffte Ahi so etwas auch? Konnte er einem schwer verletzten, vielleicht sterbenden Mitspieler helfen, indem er … Viola wurde schlagartig klar, wie wenig sie von dem Jungen wusste, den sie liebte. Kannte sie Ahi überhaupt?
Aber nein, sie fantasierte! Ahi konnte keine Toten zum Leben erwecken, indem er sie mit Tierseelen verband. Und überhaupt lag der Junge aus Killarney garantiert nicht im Sterben. Vielleicht hatte er eine gebrochene Rippe und sicher ein paar blaue Flecken, allerschlimmstenfalls eine Gehirnerschütterung. Aber sie hatte nie gehört, dass jemand beim Hurling zu Tode gekommen war. Inzwischen waren die Mannschaften wieder auf dem Feld. Nach wie vor ohne Ahi, der Coach hatte einen Ersatzmann benannt. Aber auch mit dem frischen Spieler war Roundwood dem Gegner natürlich haushoch unterlegen. Schon in den ersten zehn Minuten der Verlängerung schoss Killarney ein weiteres Tor – Mike und seinen Leuten gelang nichts mehr.
»Das war’s dann wohl«, meinte Moira unglücklich, als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff. Die Verlängerung betrug zweimal zehn Minuten. Dazwischen war eine kurze Pause. Viola dachte ein weiteres Mal über einen Vorstoß nach. Und diesmal fiel ihr etwas ein. Sie musste außen herumlaufen! Gut, das war ein weiter Weg, aber wenn sie rannte, schaffte sie es vielleicht bis zum Ende der Pause. Und wenn nicht, konnte der Coach Ahi ja auch zwischendurch wieder einwechseln. Er musste nur auftauchen und Bereitschaft zeigen mitzumachen. Die Tore schoss er dann im Notfall im Alleingang. Viola wusste genau, dass er den Ball nur abgab, um die anderen Spieler nicht zu brüskieren.
»Ich gehe ihn suchen!« erklärte sie den anderen Mädchen und machte sich auf den Weg.
Hank und Mike auf dem Spielfeld schienen ähnliche Gedanken zu hegen. Statt sich, wie die anderen, erschöpft zu Boden fallen zu lassen oder Energiedrinks herunterzuschütten, trabten die beiden Richtung Sporthalle. Natürlich würden sie schneller sein als Viola. Irgendwie hatte sie plötzlich noch mehr das Gefühl, sich beeilen zu müssen. Sie rannte, wie sie noch nie gerannt war, behindert durch ihr Partykleid und die hohen Schuhe. Schnell brachte sie die Hälfte des Weges hinter sich, aber dann – passierte etwas in ihrem Kopf! Es war ähnlich dem Gefühl der Leere, bevor Ahi seine »Diashow« abgespult hatte, aber damals war alles langsam passiert – fast so, als ob Violas eigener Gedankenstrom bereitwillig einer weißen Leinwand Platz machte. Jetzt dagegen schienen ihre eigenen Wahrnehmungen plötzlich wie abgeschnitten. Viola konnte nicht weiterlaufen. Sie lehnte sich gegen einen Pfeiler der Tribüne und sah sich entsetzt den Bildern und Gefühlen ausgesetzt, die auf Ahi einströmten. Sie meinte, in seinem Körper zu stecken – und eigentlich gar nicht so unzufrieden zu sein. Der Junge, den er vorhin gerammt hatte, ging schließlich nur leicht hinkend neben ihm her und scherzte sogar mit ihm. Zwischen den beiden herrschte offensichtlich Harmonie. Ob Ahi mit bacha ausgeholfen hatte oder nicht, der Junge – Viola wusste plötzlich, dass er Sean hieß, Flöte spielte und eine Freundin namens Joanne hatte – trug ihm nichts nach. Aber dann sah sie Mike und Hank auf Ahi zustürzen.
»Da bist du also, du Drückeberger!«
»Ich fass es nicht, spielt hier den barmherzigen Samariter für einen von den Kerlen, und …«
»Und uns lässt du hängen. Bist du noch bei Trost? Sie haben schon zwei Tore geschossen und …«
»Jetzt kommst du jedenfalls mit. Die zweite Halbzeit der Verlängerung …«
Angesichts der verärgerten Gegner verzog sich Sean
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