Ruf der Dämmerung (German Edition)
in den Flur fiel, als ihr Vater öffnete. Stattdessen stolperte einer der Camper – trotz Regenmantel total durchnässt – über die Schwelle.
»Alan, es tut mir leid, Sie zu belästigen, aber irgendetwas stimmt nicht …« Der Mann wirkte völlig verstört und winkte sofort ab, als Violas Vater sich für die ausgefallene Elektrizität entschuldigen wollte. »Das ist es nicht. Es ist … meine Frau … Wir können sie nicht finden. Wir dachten, sie wäre in Roundwood, aber … aber jetzt haben wir das Motorrad gefunden …«
»Nun kommen Sie erst mal rein, John!«, forderte Violas Dad ihn auf. »Ainné, haben wir noch einen Tee für ihn? Wärmen Sie sich auf, John, und dann erzählen Sie uns alles. So weit kann sie doch nicht sein, bei diesem Wetter …«
»Ich kann nicht lange bleiben, die Mädchen sind im Camper …« Der Besucher trat zwar nur widerstrebend ein, ließ sich dann aber überreden, einen Becher Tee anzunehmen, in den Ainné einen Schuss Whiskey gab.
»Wir waren heute Nachmittag Kanu fahren, hatten die Boote für zwei Stunden gemietet, Sie erinnern sich. Aber dann sah es nach Regen aus und da beißen die Fische ja besonders gut. Ich wollte also früher Schluss machen und noch Angeln gehen und die Mädchen kamen mit mir. Louise wollte allerdings weiter paddeln – und vielleicht noch schwimmen, macht sie ja oft …«
Bislang jeden Tag. Viola schüttelte es allein bei dem Gedanken.
»Anschließend wollte sie mit dem Motorrad ins Dorf fahren und etwas einkaufen …«
Die Familie besaß zusätzlich zu ihrem Wohnmobil ein Motorrad, sodass zumindest kleine Besorgungen möglich waren, ohne gleich den ganzen Haushalt zu bewegen.
»Da haben wir sie auch vermutet, aber dann wurde der Sturm immer stärker und wir dachten, sie müsste doch mal nach Hause kommen …«
»Vielleicht ist sie ja in Roundwood geblieben?«, vermutete Ainné. »Bei dem Wetter mochte sie vielleicht nicht fahren.«
John schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es ja gerade! Vicky ist vorhin rausgegangen, weil sie irgendwas auf dem Spielplatz liegen gelassen hatte, und dabei ist sie auf das Motorrad gestoßen. Vielleicht zwanzig Meter vom Camper entfernt Richtung Straße. Am Spielplatz eben. Es stand gegen einen Baum gelehnt – aber keine Spur von Louise!«
»Das Motorrad hätte auch jemand anders da hinstellen können«, bemerkte Alan.
John runzelte die Stirn. »Klar, aber wer? Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin. Vielleicht fällt Ihnen ja etwas ein. Hat sie das Kanu denn zeitig wieder abgegeben?«
Violas Dad zuckte schuldbewusst die Achseln. »Ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Ich habe einfach nicht mehr nach den Booten gesehen, ich bin davon ausgegangen, Sie hätten sie schon ordentlich vertäut.«
»Du hast nicht nach den Booten gesehen?«, raunzte Ainné ihn an. Die Kanus lagen ihr sehr am Herzen. Sie hatte erst im Frühjahr mit dem Bootsverleih begonnen und viel Geld investiert. »Bei dem Sturm? Mensch, wenn die sich losreißen, sind sie kaputt! Du wirst augenblicklich …«
»Sie könnte also theoretisch noch auf dem See sein?«, fragte John entsetzt.
Bill schüttelte den Kopf. »So bekloppt sind nicht mal Engländer«, murmelte er, allerdings in ziemlich breitem Irisch und nicht sehr laut.
John tat auch zumindest so, als habe er nichts gehört. Stattdessen wandte er sich an Alan. »Können wir … ich meine … werden Sie …?«
»Natürlich!«, antwortete Ainné. »Selbstverständlich wird mein Mann nach den Booten sehen. Er muss sie ohnehin reinholen. Mein Vater …«
»Ich geh natürlich mit«, seufzte Bill und zog gleich los, um sich regenfest anzuziehen.
Alan wirkte nicht so begeistert und warf sowohl Ainné als auch Viola ziemlich verzweifelte Blicke zu.
»Vielleicht ziehst du dich auch um, Viola«, bemerkte Ainné – in sehr bestimmtem Ton. »Um die Boote bei dem Sturm reinzuholen, braucht es jede Hand. Und wenn du nur die Laterne hältst …«
Viola hatte nicht die geringste Lust, sich in den Regen und Wind hinauszubegeben, aber ihr Vater wirkte so entsetzt und hilflos, dass er ihr mal wieder leidtat. Sie konnte ihn damit nicht allein lassen.
Und dann war da noch diese Frau, die gefunden werden musste … Aber diesbezüglich hatte Bill zweifellos recht: Wenn sie bei dem Wetter noch auf dem Wasser war, konnte sie nicht bei Trost sein.
Viola schlüpfte also in einen dicken Pullover und Jeans, zog Gummistiefel und ihren unförmigen, langen Regenmantel über. Bill brachte für jeden eine
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