Ruf der Dunkelheit
immerwährenden Durstes ertragen. Der Genuss von Blut linderte die Qual zwar kurz, doch wenn ich einmal weniger zu mir nahm, fühlte es sich an, als würden sich züngelnde Flammen durch meine Adern fressen. Deswegen achtete ich penibel darauf, jeden Tag genug zu trinken, um nicht ständig damit konfrontiert zu werden, dass ein blutrünstiges Monster in mir schlummerte.
„Wir kriegen das hin – ich versprech´s dir!“, flüsterte ich und beugte mich über Julian. Er wandte den Kopf zu mir und sah mich an. Für den Moment schien es, dass er meinen Worten Glauben schenken wollte. Ich bekam plötzlich den unbändigen Drang, ihn zu küssen.
Er stöhnte leicht auf, als sich unsere Lippen trafen. Auf meiner Zungenspitze begann es zu Kribbeln, als ich die Blutreste von seiner Unterlippe leckte. Er griff in meinen Nacken und zog mich weiter zu sich hinunter. Zärtlich umspielten sich unsere Zungen, während er sich aufrichtete und sich mir entgegendrängte.
Plötzlich löste er sich von mir, lehnte sich zurück und sah mich einen Augenblick lang an. „Womit habe ich dich nur verdient?“ Er strich mir zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fuhr mit seinem Daumen an meiner Wange entlang.
„Ich liebe dich Julian – mehr als es Worte jemals ausdrücken könnten, deswegen möchte ich, dass du wieder glücklich bist!“ Ich senkte den Blick und meine Stimme war nur noch ein raues Flüstern, als ich hinzufügte: „Außerdem ist es meine Schuld, dass du so leiden musst.“
Ich hörte, wie er geräuschvoll einatmete. Dann nahm er mein Kinn zwischen zwei Finger und hob mein Gesicht an. In seine Augen trat ein violetter Schimmer. „Hör auf, so etwas zu sagen! Das haben wir doch schon so oft besprochen!“ Er sah mich streng an und ich nickte zaghaft. Doch trotzdem konnte ich die Schuldgefühle, die innerlich an mir nagten nicht gänzlich ausblenden. Ich kam allerdings nicht mehr dazu, zu widersprechen, denn er verschloss meinen Mund mit seinen Lippen und ich sank in seine Arme, während seine Finger bereits die Knöpfe meiner Bluse öffneten. Ihn zu spüren, ließ mich alles um mich herum vergessen – zumindest für diesen Moment, in dem nichts zählte, außer unserer Liebe und das herrliche Gefühl, eins mit ihm zu sein.
Mein Kopf lag auf seiner Brust, während ich Julians kräftigen Herzschlägen lauschte. Mit den Fingerspitzen strich er über mein Rückgrat und schickte mir damit wohlige Schauer über die Haut. Seine Finger zuckten leicht und ich richtete mich auf, um ihn anzusehen. „Was ist los, Julian?“
Er schien kurz zu überlegen, ehe er geräuschvoll einatmete und seinen Kopf zu mir wandte. Unsere Blicke trafen sich und seine Augen bekamen einen merkwürdigen Ausdruck.
„Ich habe Angst – Tamara.“ Wieder strich er mir über den Rücken, doch er seufzte. „Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Immerhin kämpfe ich nun schon seit fast zwei Jahren dagegen an. Es raubt mir fast den Verstand und so … will ich nicht wieder werden!“ Seine Lippen wurden schmal, doch ich hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Du musst dir von mir helfen lassen. So wie du dich momentan quälst, kommen wir keinen Schritt weiter!“ Ich stütze mich auf und musterte besorgt sein Gesicht. Er schien sich unter meinem Blick zu winden, doch dann sog er zischend Luft durch die Zähne und nickte zögernd. „Vielleicht hast du recht. Ich habe mich so darauf versteift, gegen den Durst nach menschlichem Blut anzukämpfen, dass ich wohl mein Ziel aus den Augen verloren habe.“
Ich atmete erleichtert auf, es war das erste Mal seit Monaten, dass er sich mir öffnete und seine Vorgehensweise überdachte. „Es geht nicht darum, von was du dich ernährst, sondern dass du die Kontrolle behältst“, erwiderte ich und küsste ihn ein weiteres Mal.
„Und was schlägst du vor?“, wollte er wissen, während ich meinen Kopf zurück auf seine Brust sinken ließ. Hoffnung durchströmte meinen Körper, doch es mischte sich auch die Angst vor der Ungewissheit dazu. Ich wusste, es war der letzte Ausweg, es auf eine andere Weise zu versuchen. Sollte ich scheitern, würde er mir über kurz oder lang entgleiten. Doch ich behielt meine Sorgen für mich, legte meine Hand auf seine Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte und erwiderte: „Ich werde mir etwas einfallen lassen.“
Als ich später am Abend gerade aus der Dusche stieg, klingelte mein Handy. Es war Max, der sich nach Julian erkundigte. Ich atmete geräuschvoll
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