Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
dass du heute Nacht nicht nur redest“, gab sie spitzbübisch zurück, und als sie sich spielerisch seiner Umarmung entwand, funkelten ihre Augen.
„Meinst du etwa, ich würde mein Versprechen nicht einlösen?“, rief er ihr schelmisch hinterher.
Lachend griff Sophie nach dem Zaumzeug ihrer Stute. „Das ist wohl mehr eine Frage des Könnens als des Wollens“, frotzelte sie unbarmherzig.
Aha! Sie stellte also sein Vorhaben, sie diese Nacht voll und ganz zu besitzen, infrage! Das aber war eine Fehleinschätzung, die man leicht zerstreuen konnte. Hugues grinste voller Vorfreude in sich hinein, als er sie auf die Arme hob und auf seinen Sattel setzte.
„Da wirst du heute Nacht aber reichlich Wollen erleben“, mahnte er leise. Sophie bedachte ihn daraufhin mit einem verschmitzten Lächeln, das unterstrich, wie zufrieden sie war mit dieser Wendung. „Ach, alles nur Gerede!“, konterte sie und winkte ab.
Hugues lachte bloß verhalten in sich hinein und genoss diese ungezwungene Leichtigkeit. Er füllte noch seinen Ziegenbalg mit Wasser vom Bach, schwang sich dann hinter Sophie in den Sattel und zog sie an sich. Und als sie sich an ihn kuschelte, fragte er sich, wann er denn wohl die nächste Rast befehlen konnte, ohne dabei übertrieben begehrlich zu wirken.
Vielleicht, so dachte er bei sich, ist aber auch nichts dabei, dass du begehrlich erscheinst. Denn Sophie drehte sich um und drückte ihm einen Kuss aufs Kinn, welcher sein Blut gewaltig in Wallung brachte.
9. KAPITEL
Nachdem sie den flachen Flusslauf durchfurtet hatten, ging der dichte Laubwald allmählich in lichteren Kiefernbestand über, und würziger Duft erfüllte die Luft. Der Boden wurde weicher; ein dicker Teppich aus Kiefernnadeln, vermischt mit dem harzigen Aroma, ließ die Pferde sogleich schwungvoller ausschreiten, wenngleich sie nun schon eine geraume Weile unterwegs waren. Die Kiefern wirkten auch nicht so hoch, sodass Hugues bald das Gefühl hatte, durch das Geäst den Himmel sehen zu können. Anscheinend, so stellte er zu seiner Befriedigung fest, begann es bereits dunkel zu werden.
Als sein Hengst plötzlich zögerte, blickte Hugues suchend den vor ihm liegenden Weg entlang. Hier unter den Nadelhölzern war er gar nicht so leicht zu erkennen, denn links und rechts wuchs keinerlei Unterholz. Vom übrigen Waldboden, einer weichen, braunen, mit abgefallenen Zweigen übersäten Nadelschicht, die sich in alle Richtungen erstreckte, war der Pfad kaum zu unterscheiden. Offenbar, so Hugues’ Eindruck, war der Abstand zwischen den Stämmen direkt vor ihm am breitesten; deshalb lenkte er seinen Hengst darauf zu, denn dort musste ja wohl der Waldweg verlaufen.
War es nur Einbildung, dass die Bäume sich hinter ihnen schlossen, sobald die Gruppe weiterritt? War es bloß ein Trugbild der Fantasie, dass der Weg mit jedem Schritt und Tritt schmaler wurde? Schweigend zogen die drei dahin; die Befürchtung, man könne sich eventuell in den Wäldern verirren, wagte keiner zu äußern. Und so ritten sie endlos lange weiter.
Je mehr aber das Tageslicht verblasste, desto stärker wurden Hugues’ Zweifel, dass er den rechten Weg gewählt hatte. Schließlich hielt er sein Pferd an und sah sich forschend um. Er fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass sie dem richtigen Pfad folgten, noch konnte er überhaupt einen erkennbaren Weg ausmachen. Grüblerisch starrte Hugues in die Tiefe des Kiefernwaldes. Ja, es fiel sogar schwer, die genaue Richtung zu bestimmen, aus welcher die kleine Gruppe gekommen war.
„Ich höre schon wieder Wasser“, flüsterte Sophie, worauf Hugues lauschend den Kopf schräg legte. Das war wohl derselbe Bach, so seine Vermutung. Doch seine Ohren straften ihn Lügen, denn das Rauschen klang diesmal lauter als das Gemurmel eines sanft dahinfließenden Quells.
„Als Ziel allemal besser als nichts“, brummte Hugues verdrossen.
Sophie sah ihn verständnisvoll an. „Du hattest recht, als du sagtest, man könne sich leicht verlaufen in so einem Wald“, erinnerte sie ihn. Mühsam rang er sich ein Lächeln ab, denn er wollte sie nicht unnötig ängstigen.
Er war ihr sogar dankbar für den Hinweis, dass Wälder zuweilen ein rechtes Rätsel für sich darstellten. Luc hielt vorsorglich den Mund, doch Hugues brauchte ihn nur anzuschauen, um zu erkennen, in welche Richtung die Gedanken des Knappen schweiften. Leider gab es nichts, womit man den Jungen hätte beruhigen können, zumal sie sich nun offensichtlich hoffnungslos verirrt
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