Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
Bedauern leider nicht, Milord“, erwiderte Eduard ruhig. „Er verlangt schon andauernd nach Euch.“
Dass die Kunde von seiner Heimkehr den Vater bereits erreicht hatte, behagte Hugues ganz und gar nicht, denn jetzt konnte er den Besuch bei seinem Vater nicht noch weiter hinauszögern.
„Wie ich hörte, gibt es im Dorf noch etliche ungelöste Fragen“, bemerkte Hugues, was ihm einen tadelnden Blick des Älteren einbrachte.
„Das Gericht kann nur auf Anweisung Eures Vaters zusammentreten“, entgegnete Eduard frostig. War der Burgherr erkrankt, durfte man die Dörfler nicht einfach sich selbst überlassen. Hugues sah es daher als seine persönliche Pflicht an, sich um die Ländereien von Pontesse zu kümmern, einerlei, ob das nun den formellen Gepflogenheiten entsprach oder nicht.
„Gewiss würde er es einberufen, wäre ihm die Situation klar“, gab Hugues lakonisch zurück. „Lass den Dörflern bitte mitteilen, dass sie ihre Klagen übermorgen vortragen können.“
Mit diesen Worten wandte er sich zur Treppe, denn er hatte nicht die geringste Lust, sich mit dem Burgvogt über die Feinheiten des Burgprotokolls zu streiten. Da wäre er doch nur aus der Haut gefahren. Es lastete ihm ohnehin schon zu viel auf der Seele; hinzu kam Sophies Treulosigkeit, die seine Stimmung auch nicht gerade hob.
„Aber Euer Vater …“, hob Eduard an.
Hugues wirbelte auf dem Absatz herum. „… wird die Meinungsverschiedenheiten selbstverständlich schlichten!“, ergänzte er barsch, wobei er nur hoffen konnte, dass er damit nicht zu viel versprach. „Es geht erst einmal darum, das Gericht aus Rücksicht auf meines Vaters gegenwärtigen Gesundheitszustand so zusammenzurufen, wie es für ihn am günstigsten ist. Natürlich dürfen wir nicht erwarten, dass die Dörfler ihre berechtigten Anliegen zurückstellen, nur weil der Lehnsherr erkrankt ist. Ich bitte dich, Eduard, befasse dich noch heute mit dieser Angelegenheit.“
Ohne dem Burgvogt die Möglichkeit zum Widerspruch zu geben, schritt Hugues auf die Treppe zu, die zu den herrschaftlichen Gemächern führte, entschlossen, den unumgänglichen Krankenbesuch am besten so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
„Hugues!“
Beim Klang seines Namens blickte er auf und sah, dass Louise auf ihn zukam. Schmunzelnd schloss er sie in die Arme und stemmte sie hoch, wobei er so tat, als mache es ihm unendliche Mühe, ihre zierliche Gestalt zu heben. Im Gegenzug küsste seine Schwester ihn liebevoll auf beide Wangen.
„Na, das Ungeborene bringt dich ja fast zum Platzen“, frotzelte er, worauf ihre blauen Augen funkelten und sie in protestierendes Lachen ausbrach.
„Das ist aber wenig ritterlich, so etwas Ungalantes zu sagen“, hielt sie ihm vergnügt vor, während ihr Bruder mit übertrieben großen Augen den Umfang ihres Leibes begutachtete. In Wahrheit war er überglücklich, dass diese Schwangerschaft ebenso unproblematisch verlief wie die vorige, auch wenn Louises Bauch, gemessen an ihrer Körpergröße, außergewöhnlich stark gerundet war.
„Wenn du so rundlich bist, kann man das ja wohl schwerlich übersehen“, scherzte er und tätschelte seiner Schwester den Bauch. „Nur sieht es mir so aus, als wolle das Kind diesmal nicht recht ans Licht der Welt. Wie lange versteckt es sich nun schon dort drinnen? Zehn Monate doch bestimmt.“
Louise machte den Anschein, als wolle sie ihm eine besonders schlagfertige Antwort geben. Plötzlich aber zerflossen ihre Züge, sodass Hugues sich erschrocken über sie beugte.
„Was ist denn?“, fragte er besorgt.
Louise antwortete nicht gleich, sondern atmete mehrmals rasch durch, um sich dann behutsam wieder zu straffen und ihren Bruder mit einem kläglichen Lächeln anzusehen. „Bisher noch nichts“, gab sie tapfer zurück.
Hugues bemerkte jedoch das furchtsame Aufflackern in ihren Augen. „Ist Jean denn nicht hier?“, wollte er wissen.
Zu seiner Bestürzung schüttelte sie den Kopf. „Er hatte auf Burg Fontaine zu tun.“ Als sie sah, wie ihr Bruder ungehalten die Stirn runzelte, legte sie ihm begütigend die Hand auf den Arm. „Schau nicht so streng drein, Hugues!“, schalt sie. „Ich bin jetzt schon beinahe einen Monat hier. Nur wegen eines Kindes kann ja die Welt nicht stehen bleiben.“
„Und Michel? Ist der wenigstens da?“
„Ja, er spielt gerade mit Papa in dessen Gemach“, bestätigte Louise nickend. In diesem Augenblick wurden ihre Augen ganz glasig. Halt suchend umklammerte sie den Arm ihres
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