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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delacroix Claire
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überraschend, dass er wie vom Donner gerührt im Türrahmen stehen blieb und zuerst meinte, er habe sich bei der Heimkehr vielleicht im Château geirrt. Vor seinen schreckgeweiteten Augen hopste der Knirps indessen mit heller Begeisterung auf dem Rücken seines Großvaters und jagte ihm dann unter Aufbietung aller Kräfte die Fersen in die Rippen, während er gleichzeitig seinen Onkel mit einem strahlenden Lächeln begrüßte. Hugues stöhnte mitfühlend, als seinem Vater für einen kurzen Moment die Augen fast aus den Höhlen traten. Dann aber reckte der Alte das Kinn und funkelte seinen einzigen Sohn zornig an.
    „Hast du vergessen, die Tür zu schließen?“, polterte er zur Begrüßung. „Oder hat dein hintertückischer Gaul dir endlich mal eins an den Schädel verpasst? Weißt du denn nicht, wie schnell sich so ein Kind in diesen zugigen Hallen eine Erkältung einfangen kann?“
    Hugues merkte, wie ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg. „Verzeihung, Vater“, brummte er und schlug die Tür zu, während er zu begreifen versuchte, was seine Schwester denn eigentlich gemeint hatte. Unbeholfen blieb er vor dem Eingang stehen. Wenn überhaupt, dann wirkte sein Vater nach seinem Eindruck viel gesünder als vor Hugues’ Abreise, auf jeden Fall aber erheblich griesgrämiger. Ja, er konnte sich überhaupt nicht erinnern, wann er den Alten das letzte Mal außerhalb seiner Bettstatt gesehen hatte – von Herumtollen auf dem Fußboden gar nicht zu reden.
    „Absitzen, Chevalier!“, befahl der Alte nun dem Jungen, der auf seinem Rücken thronte.
    Der zog einen Schmollmund. „Aber ich …“, hob er protestierend an, worauf die Augen des Hausherrn aufflammten.
    „Runter von mir, und zwar fix!“, fauchte er. „Ein Ritter sollte lernen, seinem Herrn zu gehorchen“, fügte er frostig hinzu.
    Mit bebender Unterlippe befolgte Michel den Befehl, wenn auch nicht so gut gelaunt, wie es sonst seiner Art entsprach. Als er dann Boden unter den Füßen hatte, beäugte er seinen Großvater argwöhnisch. Der rappelte sich mühsam auf und bedachte seinen Enkel mit einem bösen Blick, welcher für Hugues Bände sprach. Die rot angelaufenen Ohren seines Vaters, der nun feststellte, dass er ohne fremde Hilfe nicht vom Boden hochkam, waren beredt genug.
    Der alte Mann hatte wohl unbedingt vermeiden wollen, den Sohn bei dessen Rückkehr vom Krankenbett aus begrüßen zu müssen.
    „Luc hatte gedacht, du gibst ihm vielleicht Hilfestellung bei den Pferden“, bemerkte Hugues an seinen völlig verstörten Neffen gewandt. Er wollte ihn nur ein wenig aufmuntern und stellte erfreut fest, dass das Gesicht des Kleinen aufleuchtete: Er durfte zu den Pferdeställen.
    „Argent mag mich“, piepste er und warf sich freudig in die ausgestreckten Arme seines Onkels. Hugues fing ihn mit Schwung auf und ließ ihn mit einer Körperdrehung im Kreis fliegen, bis sein kleines Gesicht wieder strahlte.
    „Argent ist nicht da“, erklärte er notgedrungen, wobei er den Blick seines Vaters im Rücken spürte.
    Michel sah ihn stirnrunzelnd an. „Warum nicht?“, wollte er wissen – eine ganz selbstverständliche Frage, die Hugues allerdings nicht so recht beantworten konnte. Wie dem Buben erklären, dass das Pferd tot war? Was hatten die Eltern dem Kleinen bisher über den Tod erzählt?
    „Ich reite ihn nicht mehr“, antwortete Hugues stattdessen und atmete erleichtert auf, da dem Jungen diese Erklärung offenbar genügte. Er setzte ihn sich bequemer auf die Hüften. „Aber dafür habe ich jetzt ein anderes Ross“, raunte er ihm verschwörerisch zu. „Und das braucht nun dringend einen Namen. Vielleicht könntet ihr beiden, du und Luc, euch einen passenden ausdenken“, schlug er vor, worauf Michel vor freudiger Erwartung zu zappeln begann. Kaum hatte Hugues ihn abgesetzt, fegte der Bursche auch schon zur Tür hinaus, so schnell die kleinen Beine ihn trugen.
    „Eduard! Gervais!“, rief Hugues durch den Gang und folgte dem Neffen bis zur Treppe. „Gebt Luc und dem Stallburschen Bescheid, dass Michel jetzt dazukommt.“ Zu seiner Erleichterung tauchte der Sohn des Burgvogts am Fuß der Treppe auf. Augenzwinkernd nahm er den Kleinen bei der Hand und ging mit ihm davon. Hugues konnte sich wieder seinem Vater zuwenden, der nach wie vor auf dem Boden kniete.
    „Siehst du nicht, dass ich deiner Hilfe bedarf?“, brummte der Alte verstimmt.
    Hugues verkniff sich die Bemerkung, dass sich sein Vater diese Narretei wohl besser vorher überlegt hätte.

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