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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delacroix Claire
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Rasch trat er zu ihm und bot ihm die Hand. Der Griff des Alten war zwar fest, doch seine Finger fühlten sich an wie Klauen, sodass Hugues an sich halten musste, sonst wäre er erschrocken zurückgeprallt. Immerhin war es sein Vater, der sich da an ihn klammerte, nicht irgendein Unbekannter. Dennoch fiel es ihm unsagbar schwer, in dieser gebrechlichen Jammergestalt den früher so kraftstrotzenden Recken zu sehen.
    „Kriegt man in diesem Haus denn überhaupt keine Hilfe mehr?“, grummelte der Burgherr gereizt, während Hugues ihn buchstäblich zum Bett tragen musste. „Saukalt ist es hier drinnen, und kein Fitzelchen Glut zu finden! Wo steckt eigentlich Eduard? Ich brauche wieder eine Packung, so friert es mich.“
    Hugues half seinem nörgelnden Vater ins Bett und zog ihm die Decke über, peinlichst darauf bedacht, nicht auf dessen magere Knie zu achten oder die bleiche Haut. „Schön, dich so wohlauf zu sehen, Vater.“
    Der alte Mann warf ihm einen scharfen Blick zu. „Ha!“, schnaubte er. „Wahrscheinlich willst du sagen: Der lebt ja immer noch! Ist das nicht der Grund dafür, dass du dich hin und wieder hier sehen lässt? Um dich zu vergewissern, ob du noch nicht dein Erbe antreten kannst?“
    „Du weißt genau, dass ich nicht deswegen komme“, versetzte Hugues, entschlossen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, auch nicht durch solche Vorwürfe, die ihm ohnehin nicht fremd waren.
    „Dann werde ich das Gut eben einem anderen vererben“, entrüstete sich der Alte, wobei er dem Sohn mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht herumfuchtelte. „Ich vermache es den Mädchen. Und du wirst dagegen nichts ausrichten können.“
    Auch das war eine gewohnte Drohung. „Wenn du weiterhin nicht in der Lage bist, Pontesse zu leiten, dann ist es bald ohnehin nichts mehr wert“, erwiderte Hugues lapidar.
    „Oho! Du junger Spund mit deinen kaum dreißig Lenzen weißt also besser als ich, wie man ein Rittergut führt?“, fauchte der Alte herausfordernd.
    Hugues ließ sich jedoch nicht aus der Reserve locken. „Ich hatte einst einen guten Lehrmeister“, konterte er und hielt dem trotzigen Blick seines Vaters ungerührt stand.„Der gab mir den guten Rat, ich solle keine Woche verstreichen lassen, ohne einen Gerichtstag für die Dörfler abzuhalten.“
    Sein Vater schnaubte zwar erbost, konnte dem Sohn diese Frechheit allerdings kaum verübeln. Denn er wusste genau, dass er selbst es gewesen war, der seinen Sohn in die Verwaltung des Lehens eingewiesen hatte.
    „Ich hatte mir ja auch vorgenommen, diese Woche Gericht zu halten“, schnarrte er hitzig. „Nur müssten die Bauern ihre Klagen hier zur Anhörung vorbringen.“
    „Genau das habe ich Eduard bereits vorgeschlagen“, unterstrich Hugues.
    Bei diesen Worten fuhr der Alte kerzengerade vom Lager auf.
    „Noch bin ich nicht tot!“, brüllte er mit bemerkenswerter Zähigkeit. Offenbar, so Hugues’ Eindruck, hob er jetzt wieder zu seinen ermüdenden Tiraden an, bei denen er selbst regelmäßig aus der Haut fahren konnte.
    „Allerdings nicht“, fauchte er scharf und ließ den ausgestreckten Zeigefinger auf den Alten zusausen. „Aber richtig am Leben auch nicht. Wie viele Jahre verkriechst du dich jetzt schon hier oben, aus Angst, dich festzulegen?“
    „Angst?“ Der Herr zu Pontesse richtete sich noch straffer auf. „Du wagst es, mich der Feigheit zu bezichtigen?“
    „Jawohl! Ein Feigling – das ist aus dir geworden!“, blaffte Hugues zurück. Kaum waren die Worte heraus, ahnte er auch schon, dass er die Bemerkung eines Tages würde bereuen müssen. „Der Mann, der mich zum Ritter schlug, hätte längst eine Entscheidung getroffen – Leben oder Tod, aber nicht irgendein Zwischending. Wie kannst du hier liegen, Tag für Tag, in der Nase den Gestank von diesem Zeug, das Eduard dir zusammenbraut, und jeden anfauchen, der dir zu nahe kommt?“
    „Ich bin noch nicht tot!“, wiederholte der Alte verbissen.
    Hugues blickt ihm unverwandt in die Augen. „Dem widerspricht auch niemand“, stellte er fest. „Fragt sich nur, ob das ein Leben ist.“
    Der Alte öffnete den Mund, und für einen kurzen Moment dachte Hugues, er wolle ihm etwas gestehen. Dann aber presste er die Lippen wieder zusammen und wies mit flammenden Augen zur Tür.
    „Hinaus!“, brüllte er. „Dass ich den leichten Ausweg suche und selbst Hand an mich lege – auf diese Genugtuung kannst du lange warten.“
    „Nur zu!“, schrie Hugues zurück. „Kämpfe von mir aus um dein Leben!

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