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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Abstammung.
    »Wärest du weniger unerbittlich, wenn der Vater meines Kindes ein Franzose wäre?«, fragte sie brüsk.
    Diesmal schlug er sie nicht. Stattdessen lächelte er seltsam und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. Die riesige Schreibfläche lag wie ein Ozean zwischen ihnen.
    »Ich hatte eine schöne Zukunft für dich im Auge, Jeanne, aber du hast selbst eine andere gewählt.« Er begann zu schreiben, als wäre das Gespräch für ihn beendet.
    »Was meinst du damit?«
    Er blickte auf. »Ich schicke dich nach Vallans, Tochter. Dort kannst du die Zeit bis zur Niederkunft dazu verwenden, darüber nachzudenken, was du dir durch dein Verhalten verscherzt hast – oder auch von deinem abwesenden Geliebten träumen, wenn es denn sein muss.« Wieder lächelte er so seltsam.
    »Und danach?« Sie spürte einen Blutstropfen an ihrer Wange herabrinnen. Zornig wischte sie ihn weg. Die Wange brannte, aber sie würde es sich nicht anmerken lassen. »Ich werde keinen Mann deiner Wahl heiraten, Vater.« Er hatte nie ein Geheimnis aus seinem Bestreben nach einer seinen Interessen dienenden Verbindung gemacht.
    »Das musst du auch nicht, Jeanne«, erwiderte er kalt. »Kein Mann meinesgleichen würde dich jetzt noch wollen – benutzt wie eine Pariser Hure. Du wirst ins Kloster Sacré-Cœur gehen«, er stand wieder auf, »und dort den Rest deiner Tage in Keuschheit und Demut verbringen. Du kannst dort zu Macht und Einfluss gelangen – aber nur, wenn du die Kirche zu überzeugen vermagst, dass du deine Sünden bereust.«
    Jeanne hatte das Gefühl, als rinne Eiswasser durch ihre Adern. »Und mein Kind?«, fragte sie. »Was wird aus meinem Kind?«
    Als sie ihn wieder lächeln sah, begriff sie, dass er auch diesbezüglich bereits einen Plan hatte. Der Enkel – oder die Enkelin – des Comte du Marchand würde verschwinden, das Ärgernis ganz einfach aus der Welt geschafft.

Kapitel 1
    Juni 1792
Edinburgh, Schottland
    A ls Douglas MacRae sich für den Abend umkleidete, hatte er keine Ahnung gehabt, dass er
sie
wiedersehen würde, dass innerhalb eines Augenblicks zehn Jahre ausgelöscht würden und er sich wie damals fühlen würde, verlassen und verzweifelt.
    Er starrte die im Licht der Tür stehende Frau an, und während eisige Kälte ihn wie eine Hülle umgab, hatte er gleichzeitig das Gefühl, in eine andere Welt katapultiert zu werden.
    War sie nicht tot?
    In einem dunkelblauen Kleid, dessen strenge Düsterkeit nur durch eine weiße Paspel an Miederausschnitt und Leinenrüschen, die den halblangen Ärmel umrandeten, gemildert wurde, stand sie mit einem kleinen Jungen an der Hand regungslos und mit ausdruckslosem Gesicht vor ihm. Das Kind hatte einen braunen Lockenkopf und war bis zu den weißen Rüschen an Hals und Handgelenken wie sein Vater gekleidet.
    Zwei Gedanken schossen Douglas zeitgleich durch den Kopf: dass Hartleys Ehefrau ein Geist aus seiner, Douglas’, Vergangenheit und die Dame des Hauses entgegen der Aussage ihres Ehemannes offensichtlich nicht bettlägerig war.
    Der kleine Junge rieb sich die Augen, und als die Frau mit ihm sprach, lächelte sie, und ihre Züge wurden weich.
    Plötzlich fühlte Douglas sich zwei Jahre zurückversetzt, sah sich, ein Blatt Papier in der Hand, in der Kapitänskajüte auf dem Schiff seines Bruders stehen. Hamish hatte die Nachricht aus Frankreich mitgebracht, und Douglas musste sie dreimal lesen, bis er den Sinn erfasste.
    »Der Comte du Marchand ist tot und Vallans zerstört«, sagte er.
    »Was ist mit seiner Tochter?«, fragte Hamish.
    »Das steht hier nicht«, antwortete Douglas, doch er ging davon aus, dass auch Jeanne tot war.
    »Wünsche deinem Vater eine gute Nacht«, sagte sie nun liebevoll zu dem Jungen, und Douglas erinnerte sich an Paris, an einen von Bäumen beschatteten Garten, schläfriges Vogelgezwitscher und das Summen von Bienen.
    Das Kind schaute ängstlich zu dem Mann, der neben ihm, Douglas, saß.
    »Gute Nacht, Papa«, sagte der Kleine, blieb jedoch, wo er war, und hielt weiter Jeannes Hand umklammert. Und sein Vater bat ihn nicht, näher zu treten.
    »Gute Nacht, Davis.« Hartley lächelte seinen Sohn flüchtig an. Jeanne gönnte er einen längeren Blick.
    Ihr schwarzes Haar war im Nacken aufgesteckt und mit einem Arrangement aus Spitze und dunkelblauem Band geschmückt. Douglas betrachtete das Gesicht, das er so oft geküsst hatte, erinnerte sich daran, wie Jeannes Haut sich unter seinen Lippen anfühlte, wie weit der Weg von ihren vollen Lippen

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