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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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der Stille. »Und, hast du sie angerufen?«
    »Nein. Ich habe ihre Nummer gewählt, aber als sie sich dann gemeldet hat, habe ich aufgelegt. Weil ich merkte, es zerreißt gerade was in mir. Ich wollte dich nicht mehr verlieren.« Tim zögerte und seine Stimme wurde noch leiser. »Und gerade deswegen schäme ich mich jetzt so entsetzlich. Die ARAC hat dich behandelt wie einen Kriegsgefangenen und ich habe mitgemacht.«
    Es war warm im Cockpit der Moray , wahrscheinlich durch die Ströme heißen Wassers dort draußen, und doch zitterte Leon, er konnte es nicht verhindern. Er schlang die Arme enger um den Körper. »Tim, als du rausgegangen bist gestern Nacht, während die Rogers mich weiter verhört hat … konntest du da schlafen?«
    »Nein.« Ein tiefer Seufzer. »Das konnte ich nicht. Aber ich hatte auch nicht den Mut, zurückzugehen und ihr zu sagen, dass sie dich verdammt noch mal jetzt in Ruhe lassen soll. Dass das Folter ist und ich das nicht mehr mitmache.«
    Seine Stimme schwankte. Und obwohl Tim nicht um Vergebung gebeten hatte, spürte Leon in diesem Moment, dass er ihm verzieh. Vielleicht hatte Tim einfach zu lange geglaubt, er tue das Richtige, wenn er dabei helfe, seinen rebellischen Adoptivsohn wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Bitte, Tim, sag mir, was mit meinen Eltern los war. Du hast so komisch reagiert dort im McGreen …«
    »Weil auch ich so einen Verdacht hatte. Es war schon sehr seltsam, dass die Besatzung der Xanthia deine Eltern angeblich nicht bergen konnte. Aber ich konnte nie etwas beweisen und so habe ich es verdrängt.«
    Leon biss die Zähne zusammen. Der Gedanke, dass seine Eltern im Meer um ihr Leben gekämpft hatten, ohne Hilfe zu bekommen, war schwer zu ertragen. »Aber du hast weiter für die ARAC gearbeitet.«
    »Habe ich. Damals ergab das irgendwie Sinn. Und ich glaube noch immer, dass es das Richtige war, dass ich dir erlaubt habe, mit den OxySkins zu tauchen. Du hättest dich früher oder später sowieso gegen deine Eltern aufgelehnt und dich für das Programm beworben, ob es ihnen gepasst hätte oder nicht. Aber dann wärst du wahrscheinlich schon zu alt gewesen, um noch Flüssigkeit zu atmen.«
    Leon starrte in die Dunkelheit und dachte an die Wunder und die Schönheit, die er in den letzten Jahren erlebt hatte. Daran, wie es gewesen war, Seite an Seite mit Lucy hinauszuschwimmen in die dunkle Unendlichkeit, die letzte unerforschte Wildnis der Erde. »Ja, es war das Richtige, Tim«, sagte er langsam und spürte, wie etwas in ihm zur Ruhe kam, wie die quälenden Zweifel sich auflösten. »Mag sein, dass die ARAC mich benutzt hat. Aber ich bereue trotzdem nicht, dass ich mitgemacht habe. Weißt du, ich war wirklich glücklich auf der Benthos II.«
    »Gibt es denn etwas, das du bereust?«
    »Nur eins. Dass ich Carima noch nicht gesagt habe, dass ich sie liebe.«
    »Das Mädchen, das zu Besuch in der Station war?« Tim klang neugierig.
    »Ja. Irgendwann … war es nicht mehr irgendein Mädchen. Wenn du weißt, was ich meine.«
    Leon konnte Tims langsame Atemzüge hören und das Fallen eines einzelnen Tropfens. Jetzt, wo die Lüftung nicht mehr funktionierte, schlug sich im Inneren des Cockpits Feuchtigkeit an den Wänden nieder. »Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte Tim. »Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich zum ersten Mal verliebt war. Sie hieß Anna und trug eine Zahnspange, die in der Sonne blitzte, wenn sie lachte. Einmal saßen wir abends an der Küste, die damals so ein bisschen meine zweite Heimat war, und ich wollte sie küssen, aber ich war viel zu nervös.«
    »Du, nervös?«
    »Ja, Mann, ob du’s glaubst oder nicht, ich war nicht immer der Typ, der die Frauen reihenweise abschleppt. Also, jedenfalls saßen wir da, und sie sagte ›Schau mal, so ein hübscher Seestern, und da diese niedlichen gestreiften Garnelen‹, und ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, jedenfalls habe ich ihr verraten, was gleich zwischen diesen putzigen Tieren passieren würde. Tja, danach war die romantische Stimmung irgendwie weg.«
    Leon musste grinsen. Wenn Harlekin-Garnelen einen Seestern fanden, drehten sie ihn um, sodass er nicht mehr auf seinen winzigen Füßchen flüchten konnte, und dann fraßen sie ihn ganz langsam von den Armspitzen bis zur Mitte auf. Dadurch, dass das Opfer noch lebte, blieb das Fleisch bis zum Schluss schön frisch. »Wahrscheinlich dachte sie, sie ist in einen Horrorfilm geraten. Gut, dass du Anna nicht auch noch gesagt hast, dass Seesterne

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