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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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kitzelten auf seiner Schläfe, doch er versuchte nicht einmal, sie wegzuwischen. Er konnte die Augen nicht von diesen Schwaden lösen, die auf sie zuquollen. Nicht schnell genug … die Moray stieg einfach nicht schnell genug! Neunhundertfünfzig Meter. Noch immer viel zu tief. Dem Lo’ihi ausgeliefert.
    »Wir schaffen es nicht«, flüsterte Tim und dann erfasste sie die Wolke. Einen Moment lang gab es kein Oben und Unten mehr. Leon versuchte vergeblich, irgendeinen Halt zu finden; er wurde gegen eine Steuerkonsole geschleudert und schützte instinktiv den Kopf mit den Armen. Ein harter Ruck schüttelte die Moray, anscheinend war sie gegen etwas geprallt, vielleicht einen Felsen oder ein Teil der Bohrausrüstung – und dann ging es auf einmal nicht mehr weiter. Leicht schräg, mit dem vorderen Sichtfenster nach oben gekippt, blieb das Tauchboot, wo es war. Einen Moment lang lichteten sich die dichten Wolken im Wasser und Leon sah das abgerissene Ende eines daumendicken Kabels vor dem Sichtfenster in der Strömung pendeln.
    Tim kroch zum Bedienpult, versuchte, die Steuerdüsen zu betätigen. Das elektrische Summen der Düsen ertönte, wurde lauter, steigerte sich zu einem Heulen. »Verdammt, wir hängen irgendwo fest«, sagte Tim und wandte sich Leon zu.
    Im schwachen Licht wirkten seine sommerblauen Augen dunkel, sein Gesicht war verschwitzt und ein dünner Faden Blut rann über seine Wange. Einen langen Moment blickten sie sich einfach nur an und Leon war nicht mehr nach irgendwelchen Vorwürfen zumute.
    »Weißt du noch, damals an der Nordküste von Oahu?« Tims Stimme klang rau. »Als wir die Wellen unterschätzt haben?«
    »Klar weiß ich das noch«, sagte Leon. »Das war echt dämlich von uns.«
    Und plötzlich mussten sie beide grinsen, einen kurzen Moment lang. Ihre Arme verschränkten sich, ganz kurz nur.
    Dann begann Tim im Chaos des Cockpits nach seinem Headset zu suchen und Leon schob sich hinüber zur Steuerung der Greifer.
    »Ein Unfall? Was für ein Unfall?«, schrie Carima.
    »Wissen wir noch nicht«, gab Delilah ungeduldig zurück und schob sie voran, Richtung Schleuse. »Aber sieht so aus, als sei da unten die Hölle los. Muss mich an den Funk hängen. Los, raus mit dir!«
    Ein paar Minuten später war Carima draußen aus der Driftstation und die Schleusenluke klappte unter ihr zu. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu den beiden Booten zurückzuschwimmen. Sie kehrte gar nicht erst auf die Lovely Lucy zurück, sondern kletterte an der Heckleiter der OceanScout herauf, die Seite an Seite mit Simmonds’ Boot auf den Wellen schaukelte. Julian reichte ihr eine Hand, um sie hochzuziehen. »Wo ist Leon? Was ist passiert?«
    Carima schüttelte den Kopf, und die Angst um Leon raste durch ihren ganzen Körper, schien sich über ihre Gedanken zu legen wie ein roter Nebel. »Er ist mit einem Tauchboot unten und irgendwas stimmt da nicht!«
    Eine Minute später kauerten sie alle drei vor dem Funkgerät, Carima immer noch tropfnass, und lauschten hilflos. Es durchfuhr Carima wie ein elektrischer Schlag, als sie Leons Stimme erkannte. »Er ruft Mayday – das ist das Gleiche wie SOS, oder?«, flüsterte sie.
    Billie nickte, ohne sie anzusehen. Sie drückte auf die Ruftaste des Mikros, versuchte das Tauchboot zu erreichen.
    Doch es kam keine Antwort.
    »Noch mal … ja, ich glaube, du hast es – Shit!« Leon wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im Schein der immer schwächer werdenden Scheinwerfer, die von einer kleinen Notbatterie gespeist wurden, steuerten er und Tim abwechselnd die Greifarme und versuchten das Tauchboot damit aus den Stahlkabeln zu befreien. Doch selbst wenn die Greifer eins der Kabel packen konnten, ließ es sich meist nur ein paar Zentimeter zur Seite ziehen. Auch das Gewirr zu durchtrennen klappte nicht – das Tauchboot verfügte zwar über Werkzeuge, die dazu dienten, es unter Wasser aus Fischernetzen freizuschneiden, doch sie waren nicht dafür gemacht, Stahlkabel zu kappen.
    Auf Socken kroch Leon nach ganz vorne in die gewölbte Plexiglaskuppel, legte den Kopf in den Nacken, um zu erkennen, wo und wie genau die Moray festhing. Als wieder einmal einen Moment lang eine Strömung das Wasser klärte, erhaschte er einen kurzen Blick auf die Umgebung. Und was er sah, war weitaus schlimmer, als er befürchtet hatte. Geknickte Metallstreben, keine fünf Meter über ihnen. »Tim … da oben …«
    »Was?« Tim zog sich neben ihn und kniff die Augen zusammen. »Nein! Nicht das auch

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