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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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noch. Das sieht so aus wie ein Teil der Bohrstation. Hängt genau über uns.«
    Leon nickte. »Wenn es ein Nachbeben gibt, dann macht uns das platt.«
    »Das geht wenigstens schnell«, sagte Tim bitter. Leon wusste, was er meinte. Schon jetzt kam ihm die Luft im Inneren der Moray stickig und warm vor.
    »Wie lange reichen die Sauerstoffvorräte?«
    Schnell checkte Tim eine Anzeige auf der Steuerkonsole; danach klang seine Stimme ruhiger. »Sieht gar nicht so schlecht aus – noch etwa zwanzig Stunden. Sollte reichen, um uns rauszuholen.«
    »Fragt sich nur, wie …«
    »Die Thetys ist auf Position nicht weit von hier und sie hat die Marlin an Bord. Die kann uns entweder freischleppen oder an uns andocken und uns mit hochnehmen. Finden werden sie uns mit Leichtigkeit, ich habe die Notboje hochgeschickt.«
    Noch einmal gab Leon einen Hilferuf durch – und diesmal kamen gleich zwei Antworten.
    »Driftstation DX-56E ruft Moray. Alles in Ordnung bei euch?«
    »Nein«, sagte Leon grimmig, beschrieb kurz die Katastrophe an der HotPower-Bohrstation und schilderte ihre Lage. »Aber immerhin geht’s uns noch besser als der SeaLink , die ist zerstört worden.«
    Jemand unterbrach ihn. »Hier ist die OceanScout«, sagte eine atemlose Stimme, Billies Stimme! »Meinst du, ihr kriegt das Ding noch mal flott?«
    »Sieht nicht so aus, aber wir probieren es weiter«, sagte Leon – und spürte plötzlich Wasser an seinen Zehen. Wasser von draußen. »Tim, wir haben ein Leck!«
    »Ja«, sagte Tim tonlos. »Ich glaube, das Wasser kommt irgendwo am Heck rein. Das Loch kann nicht sehr groß sein, sonst hätten wir es früher gemerkt.«
    »Billie, wir …«, begann Leon, doch auf einen Schlag erloschen sämtliche Lichter im Cockpit der Moray . Völlige Dunkelheit hüllte sie ein und die Sprechverbindung war tot. Anscheinend war die Elektrik zusammengebrochen.
    »Wahrscheinlich ein Kurzschluss, weil Wasser eingedrungen ist«, sagte Tims Stimme irgendwo neben Leons Ohr. »Die Notbatterie hätte sowieso nicht mehr lange durchgehalten.«
    Ein Leck. Die Moray hatte ein Leck! Leon fühlte, wie Verzweiflung in ihm hochkroch. Hatte er seinen Vorrat an Glück aufgebraucht? Selbst eine winzige undichte Stelle konnte ihnen den Rest geben, wenn sie hier unten festsaßen. Langsam und unaufhaltsam würde sich das Tauchboot mit Wasser füllen – und er hatte keine seiner OxySkins dabei! Er würde ertrinken, so wie jeder andere Mensch in dieser Situation. Ganz glauben konnte er es nicht; es kam ihm so lächerlich vor, dämlich und sinnlos.

Das Ende der Welt
    Nach einigem Herumkramen fand Tim eine Taschenlampe, und sie versuchten herauszufinden, woher das Wasser kam und ob sie das Leck abdichten konnten. Tim fluchte ausgiebig in Deutsch, während er mit dem Werkzeug hantierte; Leon verstand immerhin die Hälfte, und am Ton von Tims Stimme hörte er, dass seinem Adoptivvater ebenso die Angst im Nacken saß wie ihm selbst.
    »Die Thetys ist sicher bald hier«, versuchte Leon ihn und sich selbst aufzumuntern. »Bestimmt klopft gleich jemand an die Luke und will wissen, ob wir es waren, die die Pizza bestellt haben.«
    »Wäre gut, wenn sie sich damit beeilen könnten«, presste Tim hervor. »Gibt auch ein Extra-Trinkgeld.«
    Leons Socken waren schon durchtränkt, und er zog die Beine an den Körper, umschlang die Knie mit den Armen. »Immerhin, das Wasser steigt nicht sonderlich schnell. Was meinst du, wie lange …?«
    »Eine halbe Stunde vielleicht. Eine Stunde, wenn wir Glück haben.«
    »So schnell wird die Thetys es nicht schaffen, oder?«
    Von Tim kam keine Antwort, er tastete nur nach Leons Hand, nahm sie, hielt sie fest.
    Nein, so schnell würde die Thetys sie nicht erreichen können. Dieses Leck war ihr Todesurteil.
    Verzweifelt starrte Leon in die Dunkelheit, versuchte zu begreifen, dass er sehr wahrscheinlich weder Lucy noch Carima wiedersehen würde.
    »Leon …« Tims Stimme schwebte durch die Dunkelheit. »Ich wünschte, du könntest jetzt meine Gedanken lesen. Das würde vieles einfacher machen. Aber ich kann es auch einfach so sagen.«
    »Was denn?«, flüsterte Leon.
    »So etwa ein halbes Jahr nachdem ich dich adoptiert hatte … da war ich entsetzlich betrunken. Ich habe die Nummer deiner Tante in Iowa rausgesucht, weil ich das Gefühl hatte, ich schaffe es nicht. Weil es so verdammt schwer war, dich alleine großzuziehen, und ich nicht mehr sicher war, ob ich das will und hinkriege.«
    Sein eigener Herzschlag kam Leon sehr laut vor in

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