Ruf Der Tiefe
Wissenschaftler auf Perfluorcarbone um, Flüssigkeiten, die deutlich mehr Sauerstoff enthalten können als gewöhnliches Wasser. Weitere Tierversuche folgten – im Jahr 1983 beatmeten Forscher mehrere Hunde mit Flüssigkeit und simulierten dabei den Druck von tausend Meter Meerestiefe. Das Experiment gelang, und es stellte sich heraus, dass das Perfluorcarbon sich restlos wieder aus der Lunge entfernen ließ. Auch beim Menschen ist die Methode angewandt worden: In den USA sind schon einige Hundert Patienten mit schweren Lungenverletzungen und zu früh geborene Babys durch die Flüssigkeit in der Lunge stabilisiert worden. Davon haben die Betroffenen selbst nicht viel mitbekommen, eingesetzt wird die Methode bislang unter Narkose. In Deutschland wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal ein Patient, dessen Lungen versagten, in der Berliner Klinik Charité durch Flüssigkeitsbeatmung gerettet.
Natürlich spitzten sämtliche Taucher bei solchen Neuigkeiten die Ohren. Seit James Camerons faszinierender Film The Abyss aus dem Jahr 1989 die Flüssigkeitsatmung im Meer berühmt gemacht hat, verfolgen Taucher gespannt alle Entwicklungen in dieser Richtung. Hoffnung macht ihnen und uns, dass sich auch die amerikanische Marine (Navy) schon seit Jahren für die Flüssigkeitsatmung interessiert. Aus Rechenschaftsberichten der Navy geht hervor, dass sie jedes Jahr bis zu 1,6 Millionen Dollar ausgibt, um unter anderem den Einsatz von Perfluorcarbonen bei der Rettung von U-Boot-Besatzungen zu erforschen. Es wird aber noch lange Zeit dauern, bis Menschen so frei wie Leon in der Tiefsee leben können. Dass nur Jugendliche unter Wasser Flüssigkeit atmen können, ist übrigens unserer Fantasie entsprungen.
Schon heute werden bisher unheilbare Krankheiten mit Stammzellen behandelt. Vielversprechend erscheinen dabei tatsächlich die Stammzellen von Meeresorganismen – an der Universität Lübeck arbeitet eine Forschergruppe an diesem Thema. Gentechnisch veränderte Kraken gibt es heute noch nicht, doch auch so sind alle Kopffüßer, zu denen auch die Kraken zählen, nachweislich hochintelligent. Sie lösen Probleme, entwickeln neue und ungewöhnliche Strategien für die Jagd, interessieren sich für alles Neue und verblüffen immer wieder durch ihre Gewitztheit. Fleißig sind sie auch, wenn es ihnen Spaß macht. Wenn im Aquarium des Stuttgarter Zoos der Tierpfleger anrückt, um die Becken sauber zu machen, bringt er immer zwei Bürsten mit – eine für sich selbst und eine für den Kraken!
Sich durch Handzeichen mit Meerestieren zu verständigen ist schon heute möglich. Eine Forschergruppe der Universität Hawaii unter der Leitung von Dr. Lou Herman hat in den 1980er und 90er Jahren vier Delfinen eine künstliche Zeichensprache beigebracht; eines der Tiere verstand fünfzig Zeichen, sogar in Form von ganzen Sätzen. Höchstwahrscheinlich könnten auch die sehr intelligenten Pottwale solche Handzeichen erlernen, doch das scheitert momentan an dem Aufwand, einen so großen Wal in Menschenobhut zu betreuen.
Sicher werden manche Erfindungen, die wir dem fiktiven Konzern ARAC angedichtet haben, irgendwann tatsächlich patentiert – zum Beispiel die »BioLumis«-Lampen, die auf die gleiche Weise funktionieren wie die Leuchtorgane der Tiefseetiere. Solche Lampen würden nur sehr wenig Strom verbrauchen. Nicht ausgedacht haben wir uns die Ultraschall-Sprechverbindung.
Die Ausbeutung von Bodenschätzen in der Tiefsee ist heute schon Realität. Es gibt eine eigene Behörde, die Lizenzen für den Abbau von Manganknollen und anderen Metallvorkommen in den Ozeanen vergibt. Wenn wir an Land vorhandene Rohstoffe verbraucht haben, werden wir in die Tiefsee vordringen müssen – dort lagern große Mengen der begehrtesten Stoffe. Es wird überlebenswichtig für alle Organismen der Tiefsee sein, dass man einen Weg findet, solche Lagerstätten naturverträglich abzubauen. Welche Rolle in Zukunft große Konzerne bei der Ausbeutung der Natur haben werden, können wir in unserem Roman nur andeuten.
Es ist bedrückend, wie sehr der Mensch den Meeren schon geschadet hat. Den Großen Pazifischen Müllstrudel beispielsweise gibt es wirklich, wir haben ihn uns nicht ausgedacht. Auch Todeszonen in den Ozeanen – zum Beispiel vor Namibia und Peru – gibt es, und es werden immer mehr. Einen Grund dafür kennt man noch nicht, deshalb haben wir uns erlaubt, darüber ein wenig zu spekulieren.
Die Tiefsee und die Ozeane gehören allen Lebewesen auf dem Planeten
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