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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Redakteur nun jeden Augenblick aus Atemnot zusammenbrach.
    »Und es war wirklich nichts dabei?«
    Volvic fand zu alter Stärke, wenngleich auch seine Skepsis wuchs. »Nein, sollte denn?«
    Philip sah keine Veranlassung, ihm zu antworten, machte kehrt und nahm den Fahrstuhl runter in den Keller.
    Friedbert Steckner, der Archivar des Kurier, war so etwas wie ein Eremit, ein zottelbärtiger Mann, der für das düstere Kabinett der Regale mit Ordnern und Heftern geradezu geschaffen war. Er gab nicht viel um die Gesellschaft anderer, was zum Teil gewiss auch Pragmatismus war. Nur selten verirrte sich im Netzwerkzeitalter, das schnellen Zugriff auf zentrale Server erlaubte, noch ein Redakteur in den miefigen Keller. So saß Steckner tagein, tagaus vor seinem PC, scannte, sortierte, archivierte und wartete darauf, dass der Bote ihm am frühen Mittag nicht nur aus den einzelnen Redaktionen Kisten mit neuem Lesefutter, sondern auch ein Viertelstündchen menschliche Gesellschaft brachte.
    Philip wusste um Steckners Neigung zu ausgedehnten Plaudereien und ging deshalb auf die Frage, was es denn Neues aus der Bildredaktion zu vermelden gäbe, nicht ein. Stattdessen bat er ihn, einen Blick in die aktuellen Unterlagen des Nachrichtenressorts werfen zu dürfen.
    »Na, wenn’s nur das ist«, knurrte Steckner enttäuscht und stapfte nach hinten. Er kam mit einem Stapel Mappen zurück und knallte sie ihm auf einen verwaisten Tisch, dass es nur so staubte. »Dann viel Spaß.«
    Über eine Stunde lang wühlte sich Philipp durch die Meldungen, dann wusste er: Volvic hatte nicht gelogen. Tatsächlich enthielt keine der Mitteilungen die Nachricht über einen Mord, geschweige denn die Aufforderung an etwaige Zeugen, sich mit der zuständigen Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.
    Als er dem Archivar die Unterlagen zurückgab, stand ihm die Niedergeschlagenheit ins Gesicht geschrieben. Steckner witterte einen Schwatz. »Nichts gefunden?«, fragte er.
    »Nicht das, was ich suche.«
    »Das passiert hier öfter. Was meinst du, wie oft mich Redakteure anrufen, weil sie sich in ihren Recherchen mal wieder verrannt haben. Dann muss ich ran.« Er prustete abfällig. »Sie lachen über mich, aber ohne mich können sie auch nicht… Vielleicht kann ich dir ja auch helfen.«
    Was konnte es schaden? »Ich suche was zu einem Mordfall auf dem Ku’damm.«
    »Na«, meinte Steckner. »Das klingt doch mal interessant. Aufgepasst, da bist du bei mir genau richtig. Da gab es mal einen Fall, das war eine heftige Sache, ich glaube, das ist fünfzehn Jahre her, da…«
    »Naja«, bremste Philip den Eifer. »Eigentlich war es die letzten Tage.«
    »Ach, und wann genau?«
    »Gestern!«
    Steckner rieb sich den Bart. »Also, das glaube ich nicht. Die letzten Tage war nichts, daran könnte ich mich erinnern. Ist ja nicht so, dass jeden Tag jemand auf dem Kudamm dran glauben muss. Berlin ist zwar eine gefährliche Stadt, aber so gefährlich nun auch wieder nicht. Hast du es schon mit dem Internet versucht?«
    Philip verneinte, hatte aber insgeheim auf dieses Angebot gehofft. Steckner startete ein Programm auf seinem Rechner. Er fluchte, weil der PC nicht so funktionierte, wie er wollte. »Das ist ein Kreuz mit diesem neumodischen Firlefanz. Es gibt Tage, da begreife ich es nicht. Dann komme ich einfach nicht klar damit. Es ist wie verhext, als würden die Kisten mich ärgern wollen. Oder als wäre…«
    »Darf ich?«
    Steckner räumte bereitwillig den Platz, und Philip klemmte sich hinter den PC. Mit flinken Fingern rief er Google auf, fütterte die Suchmaschine mit einigen Begriffen, die ihm schlüssig erschienen, und wartete. Innerhalb von drei Sekunden zeigte Google ihm an, was es zum Thema Berlin, Ku’damm, Kriminalität und Mord zu bieten hatte. Erwartungsgemäß nicht wenig, nur wenig Ergiebiges. Da wurde über Importierte Kriminalität und deren Etablierung schwadroniert, listete ein Serienguide den Komplettinhalt der Fernsehserie Helicops. Einsatz über Berlin auf, bot das Landeskriminalamt seinen Beamten Fortbildungskurse an, damit sie die Brutstätten der organisierten Kriminalität in Berlin verstehen lernten. In einem B1-Dokumentarfilm warben Zeitzeugen für die erste große bürgerliche Straße Deutschlands – Auch der Ku‘damm ist nur ein Kiez. Der Beitrag wusste zu berichten, dass in den 1920er Jahren mit dem Schlachter und Händler Carl Wilhelm Großmann, »Blaubart vom Schlesischen Bahnhof« genannt, ein Serienmörder umgegangen war, die

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