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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Flur stand ein Mann, dessen wahren Namen de Gussa nicht kannte. Der Mann nannte sich Lacie. De Gussa fühlte sich jedes Mal an das Englische »lackey« erinnert. Das passte irgendwie zu ihm, auch wenn er einen Anzug trug, der nicht von der Stange war. Das konnte de Gussa erkennen, obwohl Lacie sich in einem Schatten verborgen hielt, den die engen Lichtkreise zweier Lampen erzeugten. Lacie trug wie üblich kein Zeichen der Verbundenheit zur Kirche, denn die Arbeit, die er verrichtete, durfte auf keinen Fall mit dem Vatikan in Verbindung gebracht werden. De Gussa war sich nicht einmal sicher, ob es wünschenswert war, dass Männer wie dieser im Auftrag der Kirche handelten.
    Der Bischof blickte um sich, doch natürlich war er alleine mit Lacie.
    »Und?«, fragte dieser und nickte in Richtung der Kammer, wo die Würdenträger nach wie vor zeterten.
    »Nichts«, antwortete de Gussa. »Sie sind zu keinerlei Maßnahmen bereit.«
    »Was haben Sie erwartet?«
    De Gussa schwieg frostig. Er war das führende Haupt des Officiums, doch ohne ihre gemeinsame Stimme durfte er keine Entscheidung treffen – eigentlich.
    »Dann müssen wir die Sache in die Hand nehmen.« Lacie trat aus dem Schatten und brachte einen Briefumschlag zum Vorschein. »Sie sollten sich das hier ansehen. Es wird die Dringlichkeit eines entschlossenen Vorgehens noch unterstreichen.«
    De Gussa warf einen Blick in das Kuvert und fand ein Foto darin. Er blickte sein Gegenüber an. »Ist es…?«
    Lacie nickte. »Er ist es.«
    »Wie sicher sind Sie sich?«
    »Sehr sicher.«
    »Wie sind Sie ihm auf die Spur gekommen?«
    Lacie lächelte. »Wir halten unsere Augen offen.«
    De Gussa merkte auf. »Wir?«
    Lacie räusperte sich. »Ich habe meine Beziehungen.«
    De Gussa holte Luft. Mehr wollte er gar nicht wissen. Ihm wurde übel allein bei dem Gedanken, dass sich da draußen noch andere wie Lacie herumtrieben. »Wahrscheinlich sind wir nicht die Einzigen, die an ihm interessiert sind. Wir sollten auf alles vorbereitet sein.«
    »Seien Sie unbesorgt«, sagte Lacie. »Ich habe bereits alle nötigen Schritte veranlasst.«
    »Aber passen Sie auf. Gehen Sie nicht zu weit, denn…«
    »Selbstverständlich, Bischof…«
    »… Sie wissen, ohne eine Entscheidung meiner Brüder dürfen wir nicht…«
    »… tätig werden, ich weiß. Doch Vorsicht kann niemals schaden.«
    Mit einem unguten Gefühl im Magen sah er Lacie nach, als dieser das Gebäude verließ und in die Dunkelheit huschte. Er blieb noch eine Weile regungslos im Halbdunkel stehen und hielt den Briefumschlag zwischen zwei Fingern. Er ließ den Inhalt des Kuverts auf sich wirken, brauchte keinen Blick mehr auf das Bild werfen, es war in sein Gedächtnis gebrannt – wahrscheinlich für den Rest seiner Tage. Er würde seinen Brüdern davon berichten müssen. Wie lange schon hatten sie auf diesen Augenblick gewartet? Ob sie sich jetzt schneller zu einer Entscheidung würden durchringen können? De Gussa hoffte es. Aber er glaubte nicht daran.
    Er machte kehrt und ging zurück in den kleinen Raum zu seinen Freunden.

Berlin
     
     
     
    In ein Gespräch vertieft, öffneten die beiden jungen Frauen die Haustür und betraten die Wohnung. Sie rissen Witze über ein Mädchen, das am Nachmittag im Piercing-Studio gekniffen und ohne Bauchnabelstecker den Laden wieder verlassen hatte, etwas, was ihnen sicherlich nie passieren würde.
    »Hast du das Gesicht von der gesehen, als sie hörte, der Piercer würde nicht betäuben?«, fragte Chris, während sie sich von ihrer Wintergarderobe befreite. Für Sabines Mantel blieb nur das kleine Sideboard an der Wand.
    »Nicht nur das Gesicht«, lachte Sabine. »Am ganzen Körper hat sie gezittert. Dass sie sich nicht eingepinkelt hat, war schon eine Leistung. Und dabei meinte sie vorher noch zu mir: ›Ich habe mich so lange auf mein Piercing gefreut. ‹«
    »Die Freude muss wirklich groß gewesen sein!«
    »Pah, Bauchnabelpiercing und Betäubung… Geht’s noch?« Sabine zupfte an ihrem Augenbrauenring. »Selbst dafür habe ich keine Betäubung gebraucht, und das ist viel schmerzhafter!«
    »Was hältst du von einem heißen Kakao?«
    »Du bist ein Schatz, genau das Richtige. Ich fühle mich, als hätte ich im Eiswasser gebadet…«
    Das Licht im Wohnzimmer flammte auf, und beide Mädchen gaben einen spitzen Schrei von sich. Auf der Couch saß ein glatzköpfiger Mann, der finster, ja, fast bedrohlich dreinblickte und sich erst auf den zweiten Blick als Philip entpuppte. Erleichtert

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