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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Erzbischof Launitzer mit schmerzverzerrtem Gesicht. Noch immer presste er die Hand in seine Hüfte.
    »Und dass wir nicht wissen, wo es enden wird«, fügte Antonio Capote hinzu, während seine Finger nervös durch das weiße Haar fuhren.
    »Dann sprechen wir mit ihm«, schlug Lucarno vor.
    In der Stille, die daraufhin eintrat, hätte man in der Kammer das Surren einer Mücke hören können. Alle Augen waren auf de Gussa gerichtet, doch dieser schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er sprechen wird.«
    »Dann lesen wir in den Büchern nach, sie werden uns…«
    »Schweig!«, rief der deutsche Erzbischof, und die anderen stimmten murmelnd zu. »Du darfst nicht darüber sprechen.«
    »Es ist nur…«
    »Nein!«, fuhr Launitzer ungeduldig dazwischen. »Wir geben uns Mühe, die Bücher zu entschlüsseln.«
    »Aber noch haben wir das Rätsel nicht gelöst«, pflichtete Mundaste bei.
    »Eben deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln«, beharrte Lucarno.
    Bischof de Gussa schwieg. Er mochte den jungen Abt aus New York, er war impulsiv und forderte Taten. Die anderen dagegen führten nur Debatten. Mit Entscheidungen taten sie sich schwer. Sie hatten sich die vielen Jahre daran gewöhnt, keine Entscheidung treffen zu müssen, waren alt, träge und zögerlich geworden. Aber das war der Sache nicht dienlich, nicht jetzt, wo die Ereignisse sich jeden Augenblick überschlagen konnten.
    Sie verkannten die Bedrohung, welche die Situation in sich barg.
    »Was ist mit Deutschland?« Zum ersten Mal meldete sich Erik Norman Svendson zu Wort. Der schwedische Bischof entsprach so gar nicht dem typischen Bild eines Skandinaviers. Er war klein, korpulent und beinahe kahlköpfig. Meistens schwieg er, aber wenn er einen Beitrag leistete, dann war er wohlüberlegt, und seine Worte hatten Gewicht in der Runde. An der Reaktion der anderen erkannte Svendson, dass sie alle längst über die Frage nachgedacht, aber sie nicht zu stellen gewagt hatten.
    Es dauerte eine Weile, bis de Gussa antwortete: »Wir kümmern uns darum.«
    »Aber wir sollten nicht einfach abwarten«, meinte Lucarno, und Monsignore Mundaste nickte beifällig.
    »Uns wird keine andere Wahl bleiben«, erklärte Launitzer. »Wir wissen nicht, wo die Person sich aufhält, die wir suchen. Es ist ihnen bislang gelungen, sie vor uns zu verbergen. Wir werden warten müssen, bis sie in Erscheinung tritt. Alles andere wäre verheerend.«
    »Aber wird sie…?«
    »Sie wird, sie wird«, beschwichtigte Launitzer. Er schien seine schmerzende Hüfte vergessen zu haben, gestikulierte nun mit beiden Händen.
    »Ist das sicher?« Wieder Lucarno.
    »So sicher wie das Amen in der Kirche«, entgegnete Launitzer entnervt, und die Geistlichen am Tisch kicherten nervös.
    »Freunde, die Brisanz dieser Situation sollte uns allen durchaus bewusst sein«, erklärte nun Boris Garnier. »Aber wir müssen Ruhe bewahren, bis wir endgültig Bescheid wissen.«
    De Gussa schob widerwillig den Oberkörper vor. Er hatte gehofft, dass sie den Ernst der Lage erkennen würden, aber offensichtlich hatte er sich wieder einmal in ihnen getäuscht. »Wenn wir in dieser Angelegenheit zu zögerlich vorgehen, werden die Folgen unabsehbar sein. Wir müssen handeln.«
    Lucarno fügte hinzu: »Und vor allem müssen wir den Heiligen Vater…«
    Launitzer unterbrach ihn unwirsch. »Der Heilige Vater hat eine übermenschliche Last verschiedener Verpflichtungen zu tragen. Überdies ist er schwer krank. Es ist völlig ausgeschlossen, ihn über diese Vorgänge zu informieren.«
    Die Stimme von Bischof de Gussa schnitt wie ein übergroßes Messer durch den Raum. »Lieber Fabricio, ich mag Sie, weil Sie – im Gegensatz zu manch anderem in dieser Runde – jung und voller Tatendrang sind. Aber in dieser Angelegenheit muss ich meinen geschätzten Freunden Recht geben: Das Officium besteht, eben weil der Heilige Vater über diese Vorgänge nicht Bescheid erhalten darf! Wir sind auserkoren, damit der Heilige Vater diese Last nicht tragen muss. Eine ungeheure Last, welche die Zukunft der Kirche gefährden kann.«
    Ein Handy klingelte. De Gussa griff in die Tasche seiner Soutane und holte das Telefon hervor. Er blickte auf das Display und drückte das Gespräch weg. Er erhob sich. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum. Die anderen schauten ihm nach. Kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, erhoben seine Brüder ihre Stimmen erneut in einem wilden Chor.
    Draußen im

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