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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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hatte.
    »Chris«, sagte er, obwohl er wusste, dass es keine Worte gab, die das, was er getan hatte, ungeschehen machen konnten. Seine Stimme zitterte. »O Chris.«
    Philip rollte sich von seiner reglos daliegenden Freundin und schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Es tut mir Leid? Es wäre nicht einmal ehrlich gewesen.
    Sie weinte, schnäuzte in ein Taschentuch. Es verging eine Weile, bis sie sich beruhigte. Irgendwann erhob sie sich, ging zur Toilette. Die Spülung rauschte, dann kehrte sie zurück und setzte sich aufs Bett. Sie machte die kleine Lampe auf dem Nachttisch an, drehte einen Joint und entzündete ihn. Tief inhalierte sie das Dope und sagte noch immer nichts, sie reichte ihm nicht einmal die Tüte. Gerade diese Art, wie sie ihn ignorierte, machte alles nur noch schlimmer. Er fühlte sich elendig und schuldig. Er hasste dieses Gefühl. Denn er konnte doch nichts dafür.
    »Was war das eben?«, fragte sie nach einer Weile, ohne ihn anzuschauen.
    Wie sollte er darauf eine Antwort geben? »Ich weiß es nicht.«
    Jetzt blickte sie ihn traurig an. »Du weißt es nicht?«
    Er sah zu dem Monstrum von Kleiderschrank, als läge hinter den massiven Türen die Antwort verborgen. Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Philip, was ist los mit dir?«
    Hilflos hob er die Schultern.
    »Rede mit mir!«
    Er atmete tief durch. »Ich kann nicht.«
    »Du kannst nicht?«
    »Nein, ich kann nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er hoffte, dass sie es dabei belassen würde. Vielleicht würde er morgen darüber reden, vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Der Kopf sank ihm auf die Brust. Eine Träne kullerte aus seinem Augenwinkel langsam die Wange hinab.
    Endlich gab sie ihm den Joint. Er nahm einen Zug, und kurz darauf fühlte er sich etwas besser. Ihr Blick ruhte auf ihm. Irgendetwas erwartete sie.
    »Es tut mir Leid«, sagte er.
    Chris schüttelte den Kopf. Als sie sich auf ihrer Seite des Bettes zusammenrollte, glich ihr Gesicht einer wächsernen Maske. Sie schloss die Augen und schwieg.
    Es dauerte lange, bis Philip eingeschlafen war, doch der Schlaf brachte keine Erleichterung. Ihm war, als habe er die Welt, seine Welt, an den Abgrund getrieben, ein für allemal. Am liebsten hätte er sich verkrochen. Irgendwohin. Irgendwo…

Trujillo
     
     
     
    Bereits am frühen Morgen knallte die Sonne unbarmherzig auf die Teerdächer der kleinen Gemeinde. Das Pfarrhaus von Trujillo war trotz der Palmen, die ein bisschen Schatten spendeten, davon nicht ausgenommen. Auch die Vorhänge hielten die Hitze nicht davon ab, in die Zimmer zu schleichen und sich um die Körper der Menschen zu legen. Cato, der Jesuitenpater, verließ die Dusche, trocknete sich ab und war, noch bevor er die Küche betrat, unter seinem Talar, der bereits den Schweiß vom Vortag tief in den Fasern trug, wieder klitschnass.
    Das Frettchen wartete bereits mit einem Glas kühlen Orangensaft auf ihn und wusste wenigstens damit einige Pluspunkte bei Cato zu machen. Das Einzige, was die unerträgliche Hitze etwas lindern konnte, waren kühle Getränke.
    Die Küche des Pfarrhauses war ein schmaler Raum mit Anrichte, Backofen und einem Tisch mit drei Stühlen, spartanisch und praktisch. Cato fragte sich, ob Comistadore diese Einrichtung bewusst gewählt hatte? Ob ihm auf diesem entlegenen Außenposten des Vatikans keine andere Wahl blieb? Oder ob seine Interessen schlicht und einfach völlig anders geartet waren?
    Das Frettchen unterbrach seine Gedanken: »Bevor Sie die Kapelle untersuchen – soll ich Sie zu dem anderen Wunder führen?«
    Cato atmete angestrengt durch, nachdem er sich an den Tisch gesetzt und einen Schluck von dem Saft genommen hatte. Im Geiste zog er dem Priester die eben erteilten Sympathiepunkte wieder ab. »Sie sollten dies nicht öffentlich äußern!«
    »Was?«
    »Dass es sich um ein Wunder handelt.«
    »Aber das ist es doch.«
    »Das ist es eben nicht«, sagte Cato streng. Er verfluchte Comistadore. Offenbar hatte man im Vatikan, bevor man ihn buchstäblich in die Wüste geschickt hatte, gleich sein Hirn einbehalten. »Wo kämen wir hin, wenn wir alles, was uns rätselhaft erscheint, direkt zum Wunder erklären? Mann, hat Ihnen der Staub in diesem Nest die letzten zwanzig Jahre den Verstand vernebelt?«
    Das Frettchen schwieg betroffen, deshalb fuhr Cato fort: »Bevor der Vatikan ein Wunder als solches anerkennt, muss eine lange und gewissenhafte Prüfung vorweggehen.«
    »Was heißt lange?«
    Cato wartete

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