Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
schwerelos. Es waren Wolken. Wir schwebten weit über der Welt. „Du kennst das Geheimnis des Buches der Schatten.“ Ich nickte. „Franklin hat es vernichtet, damit es keinen Schaden anrichten kann. Das hat die Hohepriesterin natürlich gespürt. Damit ist ihre letzte Hoffnung dahin, dich zu besitzen. Nun bist du wirklich eine Bedrohung für sie.“
„Ja, das hat Tante Lilly auch gesagt.“
„Margret ist außer sich vor Wut, weil sie jede Macht über dich verloren hat. Deshalb trachtet sie dir mehr denn je nach dem Leben. Ich will dir etwas geben, das den Zauber der schwarzen Hexe abwenden wird, wenn er kommt.“
„Wann wird das sein?“
„In nicht allzu ferner Zukunft. Sie beginnt bereits, ein Netz zu weben, in dem sie dich fangen will. Wie die Spinne, die ihre Opfer fängt. Und wie die Spinne es tut, wird auch sie versuchen, dir deine Lebenskraft auszusaugen, um die ihre zu mehren.“
Ich fand den Vergleich widerlich. Und beunruhigend, lag er doch sehr nahe an dem, was die Vampire taten.
„Nimm dies und trage es.“
Mein neues Amulett. Ein Zeichen der Unzerstörbarkeit – die Dorje. Diese hier war aus dem Hexenblutstein, dem Hämatit. Mit mystischen Zeichen verziert, die für Schutz, Kraft und Überleben standen. Bewundernd hielt ich sie in der Hand, ließ ihr Gewicht und ihre Vibrationen auf mich wirken. Sie war mein. Dann erst legte ich sie um. „Und dieses Päckchen gib dem unsterblichen Alchimisten. Er wird daraus einen Trank bereiten, den du jeden Morgen und jeden Abend trinken wirst, bis der Zauber zerschlagen ist.“
„Wie werde ich es merken?“
„Das wirst du, sei unbesorgt.“ Lange blickten wir uns an. Sie war ich, und ich war sie. „Hab keine Angst, es wird dir nichts geschehen. Du hast mächtige Freunde. Sie ist nicht die Gefahr, die du fürchten musst. Da gibt es eine andere. Und vor der werde ich dich nicht schützen können. Denn du selbst wirst deinen Weg wählen.“ Armand! Sicher sprach sie von Armand. Aber ihre Sorge war unbegründet. Gerade deshalb war ich hier in Ägypten, um mich von der Sucht nach seinem Blut zu befreien. „Deine Mutter wird dich jetzt zum Tor zurück bringen. Osira erwartet dich dort, um dich wieder hinüber in die sterbliche Welt zu geleiten. Alles wird gut. Der Schrecken wird nicht von Dauer sein, der Schmerz wird dich nicht berühren können. Und danach hat sie keine Macht mehr über dich.“
Ich nickte stumm. Die Wolken lösten sich auf, ebenso wie die Göttin. Ich stand wieder bei Lilly und Mama. Sie führten mich denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Wehmütig umarmte ich beide, als wir wieder bei Osira angekommen waren. Ich wollte am liebsten gar nicht gehen, sondern bei ihnen bleiben. Aber das war natürlich unmöglich.
„Der Segen der Göttin sei mit dir, mein Schatz“, sagte meine Mutter und drückte einen Kuss auf meine Stirn.
„Sag Armand, dass ich ihn liebe. Und dass es keinen Grund gibt, sich zu fürchten.“ Lilly streichelte mir lächelnd über die Wange. „Er hat immer Angst vorm Sterben gehabt. Vielleicht tröstet es ihn, wenn er weiß, dass ich nicht in der Hölle bin.“
Als ich hinter Osira auf der anderen Seite hinaustrat, war alles dunkel und still. Athaír und Sadall lagen bewusstlos am Boden. Das Feuer war zu einem kleinen Flackern heruntergebrannt. Ich fühlte Sadalls Puls. Er schlug kräftig. Athaír berührte ich nicht. Vampirereagieren oft instinktiv, und ich wollte nicht sein Frühstück werden. Ich musste nicht lange warten, bis beide wieder zu Bewusstsein kamen.
„Melissa, ist alles in Ordnung?“, fragte Sadall.
„Natürlich ist alles in Ordnung. Ich war ja nicht ohnmächtig.“
Ich lächelte Sadall an. Er war noch mitgenommen. Athaír hatte es wunderbar verkraftet. Und ich fragte mich für einen kurzen Augenblick, ob er die Ohnmacht nicht nur vorgetäuscht hatte.
„Ich soll dir das geben“, sagte ich und reichte ihm das Päckchen. „Du sollst daraus etwas für mich zubereiten. Gegen einen schwarzmagischen Angriff.“
Athaír nickte. Wortlos nahm er das Päckchen entgegen und begann wieder mit seiner Arbeit. Ich war nicht ganz sicher, ob ich dieses widerliche Gebräu wirklich trinken wollte. Aber mir blieb wohl keine Wahl.
Verbotene Früchte
Armand kam von der gemeinsamen Jagd zurück. Lemain wollte London in der kommenden Nacht verlassen. Sie hatten sich, wenn auch nicht als Freunde, so doch auch nicht als Feinde getrennt. Was sie verband, war lediglich noch die Leidenschaft ihrer
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