Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
eine Wahrheit – eine Erinnerung – die ich längst verloren geglaubt hatte. Ich konnte nicht fassen, was dort geschrieben stand:
… haben wir den weiblichen Vampir nun endlich beim letzten Neumond verbrannt. Und diese Abtrünnige gleich mit ihr. Offenbar hat das Mädchen noch keinen Schaden genommen. Deshalb habe ich entschieden, die Kleine von einer Priesterin des Covens aufziehen zu lassen. Wenn sie alt genug ist, werde ich sie zu meiner Nachfolgerin ausbilden. Sie ist zu vielversprechend, um sie leichtfertig zu opfern. Deshalb habe ich mich gegen ihren Tod entschieden. Sollte sich dies als Fehler erweisen, ist immer noch genügend Zeit, ihn zu korrigieren. Aber wenn es mir gelingt, ihren Geist unter Kontrolle zu bekommen, wird sie mir folgen und gehorchen. Sie wird eine wertvolle Waffe im Kampf gegen diese verräterische Brut sein, der sich ihre Mutter angeschlossen hat
.
Für die Mutter selbst konnte es keine Gnade mehr geben. Die Verräterin hat den Tod verdient. Durch ihr Bündnis und ihre Blutlinie innerhalb dieses Ordens ebenso, wie durch ihre Liebe zu den Bluttrinkern. Eine Schande nur, dass sie ihren Körper verließ, ehe die Flammen sie verschlangen. Nachdem sie sich bereits durch ihre starken medialen Kräfte der Folter entzogen hat. Das Feuer hätte sie läutern sollen
.
Sie gab keinerlei Geheimnisse unserer Feinde preis. Nicht mal den Namen des Kindsvaters. Aber er ist einer von ihnen, da besteht kein Zweifel
.
Auch die Vampirin erwies sich als zu stark für die Folter. Wir konnten ihr keine Namen oder Verstecke von anderen ihrer Art entlocken. Ihre dämonischen Brüder und Schwestern bleiben weiter im Verborgenen. Nur eine schwache Spur hat …
Ich blätterte einige Seiten zurück und wünschte sofort, ich hätte es nicht getan. Dort standen meine schlimmsten Alpträume schwarz auf weiß. Die Foltermethoden waren mit perverser Genauigkeit beschrieben. Sie hatten nichts ausgelassen. Ich konnte das Blut fließen sehen, hörte die Knochen brechen, roch verbranntes Fleisch. All das vor den Augen eines zweijährigen Kindes, das nicht verstand, wie Menschen so grausam sein konnten. Noch weniger, warum.
Die Erinnerung kehrte machtvoll zurück. Wie eine Meereswoge, die mich überrollte. Fast ertränkte. Ich war nicht fähig, ein weiteres Wort zu lesen. Meine Mutter und Tante Lilly. Unsere Flucht vor den Hexen, die uns alle töten wollten. Armand hatte die Wahrheit gesagt. Aber die ganze Wahrheit war noch viel grauenhafter, als ich geahnt hatte.
Große Göttin, was hatte Margret Crest getan? Was hatte sie mir und vor allem meiner Mutter und Tante Lilly angetan? Ich konnte die Schreie wieder hören. Tief in meinem Inneren vergraben, brachen sie jetzt hervor. Schlimmer noch als damals. Schrill und dämonisch erklang Lillys Stimme in einem schrecklichen Fluch gegen Margret. Meine Mutter schwieg. Kein Schmerzenslaut. Nur ein sanftes Flüstern in meinem Kopf, das mir sagte, dass ich nie vergessen solle.
Mir wurde schlecht, ich übergab mich auf den Boden. Meine Glieder zitterten so stark, dass ich glaubte, mich nie wieder bewegen zu können. Aber ich musste hier weg. So schnell wie möglich. Ehe die Hohepriesterin zurückkam. Sie würde mich töten, wenn sie erfuhr, dass ich das Manuskript gelesen hatte und mich erinnerte. Dass ihr Zauber bei mir nicht länger wirkte.
Mir blieb keine Zeit, noch irgendwelche Sachen zusammen zu suchen. Draußen senkte sich bereits die Dämmerung herab. Sie würde sicher bald wieder hier sein. Ich nahm meine Jacke vom Haken neben der Tür und schlich mich aus dem Haus. Gerade, als ich den Zuweg hinunterlaufen wollte, sah ich Scheinwerferlicht am Ende der Kurve. Dieser Fluchtweg war versperrt. Mir blieb erst mal keine andere Wahl, als in den Wald zu flüchten. Den magischen Wald. Vielleicht konnte ich die Höhle wiederfinden. Die Göttin würde meine Rettung sein.
Die Dunkelheit verstärkte sich schnell. Zu schnell für mich. Ich sah schon bald die Hand vor Augen nicht mehr, nachdem ich erst zwischen den Bäumen verschwunden war. Es waren keine Wege erkennbar. Ich stolperte über Wurzeln, glitt auf schlüpfrigen Blättern aus. Um mich herum sangen die Bäume ein gespenstisches Lied. Es war ihr Wald. Es waren ihre Bäume. Von ihrer dunklen Macht durchdrungen, die mit grausigen kalten Fingern nach mir griff. Ein tödlicher Fehler, ausgerechnet hierher zu flüchten. Mir war klar, dass ich einen Ausweg aus diesem Wald finden musste, sonst war ich verloren. Ein ganzer Chor von
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