Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
seinem Körper, während er abwartete, was Lucien ausrichten konnte. Aber ich wusste, sobald das Pendel zugunsten Kalistes auszuschlagen drohte, würde auch er in den Kampf eingreifen.
Das tat es nur wenige Herzschläge später. Ich sah Luciens Körper durch die Luft fliegen und hörte seine Knochen krachen, als er gegen das Tor schlug. Sein Blut färbte das Gestein rot. Es sah fast so aus, als fließe es aus den sieben Schlüssellöchern. Reglos blieb er am Boden liegen.
Armand stieß mich hinter einen Felsen und stürzte im nächsten Moment mit dem Brüllen eines Panthers auf unsere Königin zu. Nein, nicht er, Welodan stieß diesen Kampfruf aus. Er und Armand trennten sich, griffen Kaliste zu zweit an, was sie verwirrte. Sie wusste nichts von Totemtieren und hatte keine Ahnung, wo die riesige Katze plötzlich herkam. Beide, mein Liebster und sein Krafttier, bleckten ihre schneeweißen Fänge, die tödlich im Licht der Fackeln schimmerten. In ihren Augen stand der Tod, während sie Kaliste umkreisten. Jagdgefährten. Ich war sicher, dass sie nicht zum ersten Mal gemeinsam jagten und Beute schlugen. Was war wohl geschehen, wo hatten sie es schon einmal getan, um ihr Überleben zu sichern? Armand wirkte fremd und vertraut zugleich, aber ganz sicher nicht mehr der Mann, den ich vor Monaten in London zurückgelassen hatte, als ich nach Shanghai gereist war.
„Zur Hölle mit dir und diesem Vieh!“, schrie Kaliste ihm entgegen.
In ihren Augen stand Panik, etwas, das so gar nicht zu ihr passen wollte. Armand hingegen blieb die Ruhe selbst, als er ihr antwortete: „Da war ich schon, gefiel mir nicht.“
Seine Bewegungen waren lauernd, sämtliche Muskeln unter Anspannung. Ich bemerkte, wie sich seine Finger zu Klauen krümmten, mit denen er jederzeit auf unsere Urmutter losgehen konnte. Welodan strich in geduckter Haltung einem Schatten gleich an den Wänden der Höhle entlang, seine grünen Augen leuchteten gespenstisch.
Lucien stöhnte leise, kam wieder zu sich. Ich haderte, ob ich zu ihm eilen oder an meinem Platz verharren sollte. Schließlich entschied ich mich, wenigstens einen Teil meiner Schuld zu begleichen und ihn nicht im Stich zu lassen. Mit dem Verlassen des schützenden Felsens ging plötzlich alles ganz schnell.
Der Schrei einer Sirene zerriss mir fast das Trommelfell und warf mich zu Boden. Schmerz fuhr mir in die Glieder, Hitze, die mich von innen nach außen verzehrte. Das dumpfe Grollen war dagegen die reinste Wohltat, überlagerte die schrille Schärfe, die mir in die Knochen schnitt. Mein Blick war verschleiert, als ich meinen Kopf hob, doch ich sah zwei Schatten, die sich zeitgleich auf Kaliste stürzten. Diesmal war der Blutgeruch so übermächtig, dass er mich wie eine Woge fort riss. Kalistes Schmerzenlaute waren nicht mehr schrill, sondern vielmehr jammervoll, aber gleichzeitig auch voller Hass.
Ich musste mich zusammenreißen, immerhin ging es um mich. Da durfte ich nicht andere ihr Leben für mich riskieren lassen, während ich wie ein Häufchen Elend am Boden lag. Meine Arme zitterten bei dem Versuch, mich wieder aufzurichten, abermals hörte ich Lucien qualvoll stöhnen, tastete nach ihm, bis sich unsere Hände fassten und ich mich zu ihm hinüberziehen konnte. Er brauchte Hilfe, doch meine Gedanken kreisten um Armand. Verzweifelt versuchte ich, die Laute zu sortieren, die an mein Ohr drangen, um zu ergründen, wie groß die Gefahr war, in der er schwebte, da wurde es mit einem Mal ganz still.
Mein Herzschlag durchschnitt die Stille, eine unheimliche Trommel. Mit jedem Schlag wich die Benommenheit weiter von mir, doch es dauerte lange, bis die Kraft in meine Glieder zurückkehrte und ich wieder klaren Blickes den Kopf heben konnte.
Armand kniete auf der anderen Seite von Lucien, sein Gesicht spiegelte keinerlei Emotionen wider, während er unseren Lord aus seinem Handgelenk trinken ließ. Als er meinen Blick auf sich spürte, hob er den Kopf und lächelte mich an.
„Bist du okay?“
Ich blinzelte ein paar Mal, verstand die Frage nicht, da ich ja nicht gegen Kaliste gekämpft hatte, bis mir klar wurde, dass sie mich dennoch angegriffen hatte. Mein Verstand hinkte erheblich hinterher und ich sehnte mich danach, an einem ruhigen Ort meine Gedanken zu sortieren, damit dieses Chaos aufhörte, das mir Kopfschmerzen bereitete.
„Ja, mir geht es gut“, antwortete ich dennoch.
Auch Lucien kam gleich darauf wieder zu sich. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, was er von seiner Lage
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