Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Vision der kämpfenden Bestien stammten. Hatten Steven und ich tatsächlich dafür gesorgt, dass alle Vampire dieser Welt für einige Augenblicke unter Schmerzen und rot-blauen Visionen gelitten hatten? Dann hatte der Rest der großen Vampirfamilie im Moment sicherlich ziemlich schlechte Laune und eine Riesenwut auf uns. Zu Recht. Doch Lemain überraschte mich, indem er mir erklärte, dass da nur ein Gefühl von Gefahr, Wut und Gier in ihm gewesen sei. Etwas, das ihn bis ins Mark erschüttert hatte, aber weder zu Schmerzen, noch sonstigen Beeinträchtigungen führte. Verdammt, was bedeutete das? Waren Luciens Worte übertrieben gewesen? Oder schlicht erlogen?
„Das war mutig von euch“, sagte Lemain.
„Was?“ Ich glaubte, mich verhört zu haben, doch Lemain sprach noch weiter.
„Ich denke, dass schon längst jemand diesen Mut hätte haben sollen, nachdem sich uns die letzten Jahre so viele … Unzulänglichkeiten unserer Urmutter gezeigt haben.“
Auf mich stürmten immer noch tausend Fragen ein, weil die Aussagen von Lucien und Lemain so unterschiedlich ausfielen, und da Lemain keinen Grund hatte, mich zu belügen, erfasste mich Wut auf Lucien und seine Übertreibungen. Jeder wusste es, okay, das mochte sein. Obwohl außer den Alten nicht zwangsläufig jeder kapieren würde, was geschehen war. Aber die Auswirkungen an sich waren noch viel geringer, als wir angenommen hatten. Ich verstand Luciens Beweggründe nicht, ein Drama daraus zu machen. Oder war es doch nur Show? Das Gefühl, dass er ein Treffen zwischen mir und Steven ganz bewusst eingefädelt hatte, kehrte zurück und hinterließ einen bitteren Beigeschmack.
„Du suchst doch weiter nach ihm, Lemain, oder?“
Er seufzte, sah nicht viel Sinn darin, weiter nach jemandem zu suchen, der offenbar nicht gefunden werden wollte. Aber noch gab er nicht auf. Auch an ihm nagte ein sonderbares Gefühl, dass hier nicht alles so war wie es schien.
Als sie tief genug in den Wald hineingegangen waren, hatte Malaida sich wieder in menschliche Gestalt zurückverwandelt, die kleine Samara gepackt und in einen Sack gesteckt. Mit dem zappelnden Bündel war sie zu ihrem Wagen zurückgekehrt, hatte das Kind in den Kofferraum verfrachtet und sich dann auf den Weg zu der gemieteten Blockhütte gemacht. Dort stand bereits ein kleiner Käfig, in dem Samara für die nächsten Tage sicher untergebracht war, bis Sir Maxwell kam, um sie zu holen.
Niemand verfolgte sie, vermutlich dachten die Zirkusleute, dass Samara weggelaufen war. Man suchte sicher nicht lange nach ihr. Ein hungriges Maul weniger, das gefüttert werden musste.
Malaida leckte sich über die Lippen. Samara hatte zuckersüße Wünsche zu bieten. Wenn sie vielleicht einen nur … aber nein, sie kannte den Hunger, der eine Elfe überkommt, wenn sie erst von dem Naschwerk kostet. Es war wie bei den Menschen mit Schokolade oder Bonbons. Einmal angefangen kann man kaum noch damit aufhören, bis die Schachtel leer ist. Aber Kinder starben, wenn man ihnen all ihre Wünsche und Hoffnungen aussaugte, und Sir Maxwell brauchte das Kind lebend. Mit jemandem wie ihmlegte man sich besser nicht an. Er musste sehr viel Einfluss haben, wenn er solche Pläne verfolgte und so viele Kontakte besaß. Nein, da ging sie lieber kein Risiko ein. Wenn das erledigt war und sie ihre Bezahlung in Händen hielt, konnte sie sich nach einem anderen Kind umschauen und ihren Hunger stillen, der in Samaras Nähe von Minute zu Minute wuchs. Von ihr ging ein Duft nach Sahne und Vanille aus, obwohl sie solche Angst hatte. Selbst die Verzweiflung in ihrem Herzen reichte nicht, die verlockende Süße zu überdecken. Ironischerweise waren es die Kinder, die im Leben am meisten zu entbehren hatten, die über die süßesten Sehnsüchte verfügten. Sie malten sich so viel Schönes in ihren Träumen aus, weil sie wussten, dass sie es nie erleben konnten.
Hastig wendete Malaida sich ab, die feinen Nasenflügel blähten sich für einen letzten Atemzug des Wohlgeruchs, dann ging sie zum Tisch hinüber und goss etwas Wasser in ein Glas. Sie brachte es dem Mädchen zusammen mit einem Sandwich. Samara nahm das Essen hungrig entgegen, beobachtete Malaida aber misstrauisch, während sie aß.
„Wirst du mich zum Elfenkönig bringen?“, fragte sie.
Malaida war so verdutzt, dass sie im ersten Moment gar nicht wusste, was sie sagen sollte. Dann lachte sie erheitert. „Na ja, weißt du, ich denke, das kann man schon in etwa so nennen.“
Ein Elfenkönig,
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