Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Falls sie tatsächlich beinhaltete, was Lucien angedeutet hatte. Doch mein Vater hatte das Angebot abgelehnt. Ich konnte es ihm nicht verdenken, denn Luciens Preis war äußerst vage. Ich war froh, diese Verhandlung nicht im Namen meines Vaters geführt, sondern ihm das lieber selbst überlassen zu haben. Auch wenn die Frage blieb, ob wir damit nicht eine Chance verschenkten, Sir Maxwell zuvor zu kommen.
Franklin war nicht sicher, ob Lucien tatsächlich über eine Kopie der besagten Schrift verfügte oder uns nur eine ähnliche anbot. Außerdem war die Übersetzung fraglich und zeitaufwendig. Und woher wusste unser Lord überhaupt über diese Details Bescheid? Zumindest die letzte Frage musste ich gelten lassen. Bei den beiden anderen Punkten hatte ich weniger Bedenken. Lucien wusste viel, manchmal zu viel, gab aber nur selten seine Quellen preis. Ein wenig beunruhigte mich sein Interesse an Darkworld, wenn auch auf halbherzig heruntergespielt. Auch bei meinem Lord hatte ich inzwischen gelernt, nicht jedes Wort für bare Münze zu nehmen und mir darüber im Klaren zu sein, dass er nichts ohne Grund und noch weniger ohne Berechnung tat.
Bei meiner Rückkehr wurde ich gleich von drei Ashera-Mitgliedern regelrecht überfallen, musste Warren und Jenny jedoch vertrösten, weil ich zuerst mit Franklin unter vier Augen sprechen wollte.
Warren druckste daraufhin ein wenig herum, als er mich für später um ein ebensolches Gespräch bat, doch schon am Klang seiner Stimme erkannte ich, dass etwas nicht stimmte. Eine ungute Ahnung machte sich in mir breit. Jenny hingegen reagierte überraschend heftig und verschwand mit wütenden Schritten wieder in ihrem Zimmer. Franklins Erklärung, dass sie in letzter Zeit häufig zu solchen Ausbrüchen neigte, beunruhigte mich noch mehr. Immerhin war sie ein Feuerkind. Ich hätte wirklich keinen Tag später kommen dürfen, wenn hier so viele Probleme warteten und alle spontan mich als Anlaufpunkt wählten.
„Was ist denn nur los hier?“, fragte ich Franklin und schloss die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter uns.
Mein Vater fuhr sich mit einem tiefen Seufzer durch die Haare. Sie waren grauer geworden, als ich sie in Erinnerung hatte. Ich hatte es bisher ignoriert, aber mein Vater alterte zusehends, seit er den kleinen Trunk von Armand nicht mehr empfing. Auch die Falten um seine Augen und seinen Mund hatten an Tiefe gewonnen, das rührte sicher nicht allein von den derzeitigen Sorgen. Fiel ihm das ebenso auf? Und wie kam er damit klar? Eine Sekunde fragte ich mich, ob ich besser hier geblieben wäre, um ihn mit dem Dunklen Nektar zu versorgen. Doch mir war klar, dass er es nicht annahm. Nicht jetzt und nicht in Zukunft. Armand hatte sich vor seinem Verschwinden von Franklin getrennt. Es gab keine sinnliche Liaison mehr zwischen ihnen. Umso seltener war der kleine Trunk geworden. Die vergangenen Monate aber hatten an ihm mehr denn je gezehrt, nachdem auch diese seltene Gabe ausblieb.
Mein Vater legte seine Brille auf den Schreibtisch und rieb sich müde die Nasenwurzel.
„Nun, irgendwie scheinen hier mehrere kleine Buschfeuer zu brennen, aber ich habe einfach keine Zeit, mich darum zu kümmern. Sag es nur, ich bin gerade ein schlechter Ashera-Vater.“
Ich schmunzelte über seinen Selbsttadel. „Du bist weder unfehlbar noch unbesiegbar. Ich habe das Gefühl, die Situation fordert ihren Tribut. Du siehst erschöpft aus, Dad. Der Fall wiegt doch schlimmer, als du mir ursprünglich gesagt hast. Also dann, schenk mir reinen Wein ein, dann sehen wir gemeinsam weiter.“
Er blickte mich an, ein stummes Flehen in den Augen, über das er sich vielleicht selbst nicht ganz im Klaren war. Doch dann erhob er sich und holte zwei Gläser sowie die Flasche Brandy vom Sideboard. Nachdem er uns beiden eingeschenkt hatte, ließ er sichin seinen Stuhl fallen und fing an, mich über alle Einzelheiten aufzuklären.
Darkworld war lange Zeit eine Paralleldimension gewesen, wie viele andere auch. Mit einem sehr irdischen Tor allerdings. Beides stammte aus einer Epoche, in der zwischen den Menschen und PSI-Wesen eine gewisse Ausgeglichenheit bestand. Das Gleichgewicht war im Laufe der Jahre immer weiter Richtung Menschen verschoben worden, Wesen wie wir ins Reich der Legenden oder schlicht der Verdammnis verbannt. Yrioneth war ein Sougvenier. Kaum einer kennt heute noch diese Dämonenart, die eine Vielzahl von Fähigkeiten besitzt. Feuer, Gift, sequentielle Gestaltwandlung. Außerdem kannten sie sich
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