Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Franklin gehen sollte. Da ich seine Unruhe bis hier unten in den Keller spürte, entschied ich, wenigstens einem von beiden etwas Erleichterung zu verschaffen.
Mein Vater wirkte nachdenklich in seinem Sessel vor dem Kamin. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Kinn auf die gefalteten Hände starrte er in die Flammen. Ich nahm ihm gegenüber Platz, sprach ihn jedoch nicht an. Was hätte ich auch sagen sollen.
„Dann ist es jetzt also geschehen“, sagte Franklin schließlich leise.
„Ja.“
„Ich hatte es fast schon erwartet. Er liebte dich. Aber ich hatte gehofft, du …“ Als ich hörbar die Luft einsog, blickte er mich sorgenvoll an. „Du bist doch sein Schöpfer, oder?“
Ich seufzte innerlich und rang um Worte, vor allem aber um Selbstbeherrschung. Wie sollte ich das erklären? Den ganzen Tag über hatte es mich gequält, dass ich Franklin einerseits nicht belügen, andererseits aber auch nicht mit einem Wissen quälen wollte, das ihm womöglich wie ein glühender Dolch das Herz zerschnitt. Warren bedeutete ihm viel, kaum weniger als ein leiblicher Sohn. Meine Loyalität ihm gegenüber war größer als zu Dracon. Und wenn Warren erst erwachte und ihm selbst die Wahrheit sagte, würde meine Lüge nur umso schwerer wiegen.
„Ja, ich gab ihm mein Blut“, sagte ich und hoffte, Franklin würde nicht weiter fragen. Mit Worten tat er es auch nicht, doch seinem bohrenden Blick hielt ich aufgrund meines schlechten Gewissens nicht stand.
„Ich hatte keine Wahl, außer ihn sterben zu lassen. Dracon hatte schon zu viel von ihm getrunken.“
Zuerst schluckte Franklin mühsam, dann wich die Farbe aus seinem Gesicht. Seine Hände fingen an zu zittern und er sackte förmlich in sich zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an.
„O meine Göttin! Du warst dabei? Und du hast das zugelassen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Als Dracon mir letzte Nacht eine Nachricht zukommen ließ, dass er mich in seiner Wohnung sehen will, ahnte ich es, darum beeilte ich mich, zu ihm zu kommen. Doch es war bereits zu spät.“
„Woher kam deine Ahnung?“, fragte er stockend.
Meine Schuldgefühle fraßen mich auf, ich konnte fast fühlen, wie sie mit scharfen Zähnen an meinem Gewissen nagten.
„Warren hat mir gesagt, woher der Bruch des Handgelenkes wirklich stammte. Aber da er es dir nicht sagen wollte, hielt ich es nicht für mein Recht, es an seiner Statt zu tun.“
„Und wegen deinem Schweigen ist er jetzt …“
Wie schon bei mir zu Anfang, kam das Wort Vampir auch jetzt nicht über seine Lippen. Ich widersprach ihm nicht, erhob mich nur zum Gehen. Neben ihm blieb ich noch einmal stehen.
„Es wäre nicht zu verhindern gewesen. Ich kenne Dracon zu gut. So war es die beste Lösung. Wenigstens ist er nicht sein Dunkler Sohn. Ich werde auf ihn acht geben, so gut ich kann.“
Franklin lächelte bitter, und die gleiche Bitterkeit, die ich in seinem Lächeln sah, spürte ich auch in meiner Seele.
Ich traf in dieser Nacht die Entscheidung, Dracon auf keinen Fall mehr in Warrens Nähe zu lassen, was auch immer ich dafür tun musste. Vielleicht war das ein Fehler. Möglicherweise wäre Warren in Dracons Obhut besser aufgehoben gewesen. Er hätte ihn anders geformt, skrupelloser gemacht. Doch ich brachte es einfach nicht über mich und hoffte, dass mit Liebe und Zuneigung seine Seele weniger Schaden nahm als die des Drachens.
Warren war gerade erwacht, als ich den Kellerraum betrat. Ich begrüßte das, denn Lucien und Steven kamen sicherlich bald. Vorher musste er unbedingt noch auf die Jagd und ich wollte ihn auf keinen Fall allein gehen lassen beim ersten Mal.
„Wie fühlst du dich?“
Er zögerte, suchte nach Worten. „Fremd“, sagte er dann vorsichtig. Er schauderte bei dem Gedanken an das, was letzte Nacht geschehen war. Weil es nicht freiwillig geschehen war, tat er sich schwer. Doch ich wusste, das würde bald vergehen.
„Ich bin hungrig“, fügte er dann hinzu und ich nickte.
„Ja, das kann ich verstehen.“
Wir brachen auf und was er bei seiner ersten Jagd erlebte, brachte ihn schon fast um den Verstand und zeigte mir einmal mehr, dass er vermutlich nicht stark genug war. Es zerriss mir das Herz. Er war mein Freund, er war so was wie Franklins Sohn. Und nun schwebte er permanent in der Gefahr zu sterben. Daran war ich schuld, das konnte ich drehen und wenden wie ich wollte.
Seine Sinne waren scharf, der erste Versuch, sie einzusetzen, überrollte ihn mit Eindrücken. Eine Katze sprang
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