Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
sprühten noch Gift und Galle, was aber zu unser aller Erleichterung effektlos blieb.
„Hier oder auf eurer Krankenstation?“, wollte Steven wissen.
„Besser wir bringen sie nach unten“, schaltete sich Franklin ein, obwohl die Frage an mich gerichtet war.
Ich war noch so fassungslos über Jennys Attacke und die Machtdemonstration von Lucien und Steven, dass ich kein Wort über die Lippen brachte.
„Wir sollten sie fixieren“, fügte Lucien hinzu, woraufhin mein Vater nickte und vorausging.
Wie in Trance nahm ich wahr, dass Jenny auf einem Krankenbett fixiert wurde, das speziell für die Untersuchung und Behandlung von Besessenen entwickelt worden war. Ein Folterinstrument, wenn man mich fragte, doch letztlich lag seine Wirkung auch nur in der Hand des Anwenders und im Orden gingen wir behutsam damit um. Selbst ich, egal wie sehr ich Jenny liebte, sah ein, dass es zu ihrem eigenen Besten war, wenn wir sie fixierten und knebelten, doch der Schmerz in ihren Augen ließ mich stöhnen. Ich war schon versucht, zu ihr zu gehen, um die Lederriemen wieder zu lösen, da hielt Lucien mich zurück.
„Lass dich nicht von ihr täuschen,
thalabi
. Sie weiß nur, dass dieser leidende Blick bei dir zieht, aber sie empfindet nicht wirklich so.“
Er starrte sie warnend an und im gleichen Moment veränderte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht, die Wut kehrte zurück.
Steven bemühte sich derweil, die Untersuchung schnell durchzuführen und Jenny dabei so wenig wie möglich wehzutun. Eine Rücksichtnahme, die man von Lucien sicher nicht hätte erwarten können.
„Das Kind ist schon weit entwickelt“, meinte er schließlich. „Und es wird seine Mutter zu nutzen wissen. Noch ein paar Tage und Jenny ist nichts anderes mehr als ein Zombie. Eine Hülle, die das Kind schützen soll, bis es geboren werden kann. Schon jetzt ist sie kaum mehr als das. Deshalb auch der Angriff. Das kann man ihr nicht vorwerfen, denn sie ist nicht mehr Herr ihrer selbst. Wenn ich sie in einem früheren Stadium hätte untersuchen können …“
„Dann kannst du es also nicht gefahrlos entfernen?“, unterbrach ich ihn, obwohl die Frage überflüssig war.
Er schüttelte bedauernd den Kopf. Unsere letzte Hoffnung löste sich in Nichts auf.
Lucien räusperte sich, wieder tauschten er und Steven Blicke aus. Während der Arzt kaum merklich den Kopf schüttelte, zeugte der eisige Ausdruck des Lords von Entschiedenheit. Ich hatte keine Ahnung, was diese stumme Kommunikation bedeutete, war aber sicher, es umgehend zu erfahren. Schließlich seufzte Steven, schloss die Augen und nickte nachgebend.
Er sammelte sich, brauchte erschreckend lange dafür, oder vielleicht kam es mir auch nur so vor. Die Anspannung in meinem Inneren zerriss mich fast, womit ich nicht allein war. Auch Franklin umklammerte das untere Ende von Jennys Bett so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Steven blickte erst ihn, dann mich lange an.
„Macht euch bitte keine allzu großen Hoffnungen. Ich bin nicht sicher, dass wirklich eine Chance besteht, aber es gibt vielleicht eine Sache, die ihr noch helfen kann.“
Noch einmal schaute er zu Lucien, der wieder entschlossen nickte, also sprach Steven es aus: „Das Blut eines unschuldigen Vampirs.“
Ich lachte nahezu hysterisch auf. Kein Wunder, dass Steven kaum glaubte, dass es so etwas gab. Ganz zu schweigen davon, es zu finden. Ob es half oder nicht, darüber dachte ich noch gar nicht nach. Das war schon von Grund auf völlig absurd. Ein unschuldiger Vampir. Welcher Vampir konnte unschuldig sein?
Doch als ich zu Lucien sah, dessen Gesicht ernst und ungerührt blieb, sickerte die Erkenntnis allmählich in meinen Verstand. Es war ihr voller Ernst.
„Soll das ein Witz sein? Lucien? Steven? Verdammt, es gibt keinen unschuldigen Vampir. Wie soll das gehen? Wir töten, wir trinken Blut, wir sind hemmungslos in unserer Lust. Selbst Athaír ist nicht unschuldig, dabei lebt er fast wie ein Eremit.“
Steven hörte mir zu, doch ich fragte mich, ob er wirklich verstand, was ich sagte, denn er schaute durch mich durch. Nein, erkannte ich schließlich, er schaute an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick und mir zog es den Boden unter den Füßen fort.
Franklin hatte sich bis an die Wand zurückgezogen bei dem, was Steven gesagt hatte, saß nun zusammengesunken wie ein Häufchen Elend auf dem Boden, den Kopf auf seine Arme gestützt, die auf seinen angezogenen Knien ruhten, und weinte hemmungslos. Lucien trat zu ihm, legte
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