Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
rechnete ich ihm hoch an. Lucien hingegenwollte ich fast genauso gern in Grund und Boden stoßen wie seinen Dunklen Sprössling. Sein Blick, seine Haltung und die gelegentlichen Bemerkungen, die er mit einer Honigstimme äußerte, trieben Franklin Schweißperlen auf die Stirn. Mehrmals richtete er seine Brille oder lockerte seinen Kragen. Er tat mir leid, trotzdem musste ich ihn mit drei Vampiren allein lassen, um Jenny zu holen.
Mit verschränkten Armen saß sie auf ihrem Bett, hatte die Beine angezogen und blickte mir finster entgegen.
„Ich gehe nicht mit dir da runter“, erklärte sie.
Ihre Bockigkeit hatte sich ja in den letzten Tagen langsam und stetig aufgebaut, von daher traf es mich nicht ganz unvorbereitet, doch die Vehemenz mit der sie das sagte und vor allem das Gift in ihren Augen waren neu.
„Steven will weder dir noch deinem Baby was tun. Er soll dich nur untersuchen.“
„Er soll einen Weg finden, es zu töten. Sei nicht so scheinheilig, Mel.“
„Nicht, wenn wir eine andere Lösung finden“, versuchte ich es weiter versöhnlich, blieb aber erfolglos.
Wenn ich sie nicht mit Gewalt nach unten zerren wollte, musste ich wohl oder übel ohne sie wieder hinuntergehen.
Vier überraschte Augenpaare empfingen mich als ich allein zurückkam.
„Sie weigert sich, herunter zu kommen.“
„Was denkt sie sich?“, brauste Franklin überraschend heftig auf. „Dr. Blenders ist von Miami hergekommen, nur um ihr zu helfen und sie kommt nicht einmal aus ihrem Zimmer?“
Beschwichtigend legte ich ihm die Hand auf den Arm. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, was seinen Ausbruch verständlich machte, nur half uns das wenig.
„Ich kann sie auch in ihrem Zimmer untersuchen“, bot Steven an, aber ich schüttelte den Kopf
„Sie wird sich nicht von dir anfassen lassen.“
Er und Lucien tauschten einen vielsagenden Blick. „Das wollen wir doch mal sehen“, sagte mein Lord und erhob sich.
Ich führte die beiden zu Jennys Zimmer. Sogar Franklin war bereit, sie mit Gewalt zu zwingen, wenn sie uneinsichtig blieb, da konnte ich nicht dagegen halten, auch wenn es mir dabei so schlecht ging wie selten in meinem Leben. Ich kam mir wie eine Verräterin vor. Sie hatte sich mir im Vertrauen offenbart und nun würden zwei Vampire sie zwingen, eine Untersuchung und vielleicht sogar eine Abtreibung über sich ergehen zu lassen.
Mein schlechtes Gewissen erhielt einen gehörigen Dämpfer, als Lucien die Tür öffnete und wir von einem Feuerball begrüßt wurden.
Zwar traf er niemanden, das lag aber nur daran, dass wir rechtzeitig zurücksprangen. Steven zog geistesgegenwärtig seine Lederjacke aus und schlug damit die Flammen auf dem Boden aus. Was blieb, war ein schwarzes Loch im Teppich.
„Und dieser kleine Feuerteufel ist also dein vielgerühmtes Engelskind, ja?“, fragt Lucien mit beißendem Sarkasmus in der Stimme.
Röte stieg mir in die Wangen. So etwas hätte ich nie von Jenny erwartet. Was zur Hölle war nur mit ihr los? Ich schluckte, denn eine Stimme in meinem Geist erinnerte mich daran, dass Hölle in diesem Fall unangenehm nahe lag, wobei ich Osira da nicht widersprechen konnte.
Lucien ließ sich von dieser Showeinlage nicht beeindrucken. Er hatte keinerlei Respekt vor Jennys Fähigkeit, was mich angesichts der Gefahr, die Feuer für uns bedeutete, ebenso wunderte wie erschreckte. Stevens Blick genügte, um mir vor Augen zu führen, dass man nach fünftausend Jahren wohl nichts mehr zu fürchten hatte. Selbst Sonnenlicht machte ihm nur noch wenig aus, wie sonst konnte er sich – geschützt von den getönten Scheiben seiner Limousine – am helllichten Tage durch Miami fahren lassen? Ich machte mir viel zu selten bewusst, wie mächtig Lucien wirklich war.
Er riss ein zweites Mal die Tür auf, die nach dem Feuerball wieder zugeflogen war. Diesmal war er schneller als Jenny und der Windstoß, der die brennende Kugel auf eine erschrocken aufschreiende Jenny zurückkatapultierte, genügte, um sämtliche losen Gegenstände innerhalb des Raumes durch die Luft wirbeln zu lassen. In Sekunden war er bei Jenny, packte ihre Arme und verdrehte sie auf den Rücken, bis sie schmerzhaft stöhnte. Ich verzog das Gesicht, glaubte fast, ihre Pein in meinen Armen zu spüren. Die beiden Vampire verständigten sich wortlos und auch Steven verfügte über Kräfte, die mir noch nicht aufgefallen waren. Sein Blick bannte Jenny so stark, dass sie schließlich reglos in Luciens Armen verharrte. Nur ihre Augen
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