Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
überstrapaziert waren, versprach ich, weiter abzuwarten und mich um Atlantis zu kümmern.
„Was wird mit Warren?“, fragte ich schließlich.
„Ich weiß es nicht“, gestand mein Vater.
Derzeit fühlte er sich nicht in der Lage, ihm gegenüberzutreten. Ich wurde den nagenden Zweifel nicht los, dass mehr dahintersteckte als der Besuch dieses Blue.
Geiger und andere Teufel
S aphyro kam nicht oft nach Miami. Er mochte den Lärm einer Stadt nicht, blieb lieber in seinem Palast mit seinen kleinen Prinzessinnen und Prinzen. Doch seit Jenny, Mels kleine Seelenschwester, und ihr Retter Arante bei ihm waren, zog es Ramael, seinen Liebsten, häufig mit den beiden hinaus. Manchmal begleitete Saphyro sie bei diesen Streifzügen. Er wäre heute gern zu Lucien gegangen, während seine Kinder den Auftritt von Jack dem Geiger besuchten. Doch der Lord und Herr der Isle of Dark war nicht anwesend. Also machte Saphyro aus der Not eine Tugend und begleitete seine Schar, um ebenfalls dem magischen Spiel des geheimnisvollen Musikers zu lauschen.
Jack war ein Geigenvirtuose. Er konnte alles spielen. Traurige Stücke, Pop, Balladen, Rock, Country, Klassik. Und er spielte alles mit der für einen Vampir typischen Perfektion. Dabei übte er mit seiner Geige eine Faszination und einen Zauber auf Menschen aus, dem sie kaum widerstehen konnten. Seine Geige war gleichzeitig sein Lockmittel bei der Jagd. Aber nicht nur das allein. Es war auch sein Blick aus grünen Augen, in die das dunkle Blut goldene Sprenkel gestreut hatte. Seine Iris glühte irgendwo zwischen Leidenschaft und Wahnsinn, wenn er spielte. Und dann sein Lächeln. Diabolisch süß, ein wenig schief, enthüllte es blitzend weiße Zähne. Seine kurzen Haare stylte er zu einem Igelkopf und hatte ein Faible für weite Rüschenhemden zu ledernen Hosen.
Jack war Ende des 19. Jahrhunderts verwandelt worden. Ein junger Mann von siebzehn Jahren, obwohl er wie Mitte zwanzig wirkte. Unsterblich schön. Er spielte häufig im Bat’s Inn, der Bar des finnischen Vampirs Svenson, die außerhalb von Miami, praktisch auf halbem Weg in die Glades, lag. Aber auch in vielen anderen Clubs der Vampirszene, kreuz und quer in den Staaten. Jenny war in New Orleans auf ihn aufmerksam geworden und schwärmte seitdem wie ein Teenager für seinen Lieblingsstar. Saphyro hatte Eifersucht befürchtet und schon mit sich gerungen, wie Arante darauf reagieren sollte, aber der nahm es leicht. Der schüchterne Vampir mit dem unschuldigen Herzen hatte sich binnen eines Jahres zu einem gerissenen und charmanten Exemplar ihrer Art gemausert, das manches Herz in Liebeskummer brach, wenn er es nicht durch den besonderen Kuss zum Stillstand brachte.
Die beiden genossen ebenso wie Ramael sehr viel mehr Freiheiten bei Saphyro als seine anderen Schützlinge. Das Einzige, was er bedauerte, war die Tatsache, dass Jenny nicht mehr zurückblickte. Nicht nach Gorlem Manor – und auch nicht zu Mel. Dieses Kapitel ihres Lebens war trotz allem, was Mel für sie getan und riskiert hatte, abgeschlossen.
Ein sehnsuchtsvolles Aufstöhnen aller sterblichen Gäste weiblichen Geschlechts signalisierte Saphyro, dass Jack die Bühne betrat. Er drehte sich um und sah dem Teufelsgeiger in sein lächelndes Antlitz. Die Verbeugung des Musikers galt ihm, auch wenn keiner außer ihnen das realisierte. Mit leicht geöffneten Lippen und geschlossenen Augen hob Jack die Geige ans Kinn und strich den Bogen in einer gleichmäßigen, langsamen Bewegung über die Saiten. Der Ton klang wie ein Weinen, das der Wind heranträgt. Ein Klagelaut aus tiefstem Herzen, der Seelen in Schwingung versetzte.
Saphyro lächelte und ließ sich einfangen von den Klängen, die ihn schon häufiger begleitet hatten. Er kannte Jack seit einer Ewigkeit, daher verstand er, was Jenny an dem Vampir so faszinierte.
Alle Augen im Raum hingen gebannt an Jack und seiner Geige. Verklärte Blicke überall, sinnliche Gedanken erfüllten die Luft. Jack schien in einer anderen Welt, in der er nichts mehr wahrnahm außer seiner Geige und ihrem sanften Vibrieren, wenn er mit dem Bogen darüberstrich wie über eine Liebste. Doch in Wahrheit, das wusste Saphyro, tastete sich der Dämon von Tisch zu Tisch, von Seele zu Seele und wählte ein Opfer für die Nacht.
Abrupt verstummte die Melodie. Der Zauber brach und Saphyro blickte irritiert zu Jack, der den Kopf zum Eingang drehte und lauschte. Seine Nasenflügel bebten. Auch Saphyro richtete seine Sinne aus. Da kam etwas auf
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