Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
sie beide ihrer dunklen Natur folgten, seit sie übereingekommen waren, sich nicht länger zu verstellen oder ihr Wesen zu verleugnen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es sie immer noch quälte, ihn zu teilen. Sie sogar ein schlechtes Gewissen hatte. Dabei bestand kein Grund. Mit ihrer Liebe hatte das nichts zu tun.
Allerdings konnte er es nicht mehr auf ihre Menschlichkeit schieben, dass sie mit dem Verlangen des Blutdämons zu kämpfen hatte, denn diese verlor sich zusehends. Was also war es sonst, das ihre Empfindungen und ihr Gewissen noch immer an weltliche Moral band, obwohl ihr Körper und Verstand längst darüber hinaus waren?
Armand hätte ihr sagen können, dass er Franklin nur trinken ließ, wenn es in seinen Augen eine Rolle spielen würde. Da es das nicht tat, schwieg er und Mel fragte nie.
Wie immer, wenn sie verabredet waren, standen die Flügeltüren zu Franklins Büro offen. Armand passierte den Brunnen mit den betenden Engeln, die ihn stets zu beobachten schienen, wenn er an ihnen vorüberschritt. Drinnen erwartete ihn neben seinem Freund und Vertrauten ein Glas Brandy.
Schweigend stießen sie an, ließen den ersten Schluck durch ihre Kehlen laufen und genossen die stille Zweisamkeit. Ein Ritual, das sie seit ihrem ersten Treffen nach Darkworld begonnen hatten.
„Hast du schon mit Blue gesprochen?“, begann Franklin schließlich.
Er hatte Armand gebeten, ihn unter die Lupe zu nehmen, weil er hoffte, Armand würde mehr herausfinden als er. Einig waren sie sich in dem Punkt, dass etwas Beunruhigendes an dem Mann war. Aber auch darin, dass es keinen Grund gab, ihm zu misstrauen.
„Ich habe noch nicht viel mehr über ihn rausgefunden, als wir schon wissen. Welodan blieb ruhig. Mehr kann ich nicht sagen. Ich hoffe, er wird sich von selbst für uns entscheiden, denn das, was da draußen losbricht, ist ein Krieg, und ich habe das dumpfe Gefühl, dass Mel eines der Hauptziele ist.“
„Nun, da er von sich aus zu mir gekommen ist, stehen die Chancen gut, meinst du nicht?“
Armand zuckte die Achseln und spielte mit einem Kristallquader. „Ja. Aber ich bin nicht sicher.“
„Mich beunruhigt, was er sagt. Ich mache mir Sorgen um Mel.“
„Ich passe schon auf, dass ihr nichts passiert.“ Er lächelte Franklin aufmunternd an. „Und sie ist zäh, wie du weißt. Wir haben schon andere Sachen durchgestanden, also quäl dich nicht so.“
Sein Freund stützte den Kopf in die Hände und stöhnte leise. Er hatte Kopfschmerzen, das sah man ihm an. Vielleicht konnte er ihm wenigstens dabei Linderung verschaffen. So vieles von dem, was passierte, verstand Franklin nicht. Wie sollte er auch, er war nur ein Mensch. Selbst viele von ihresgleichen würden nicht merken, was vor sich ging. Ob es ihm selbst aufgefallen wäre ohne die Festung ohne Wiederkehr? Nein, gestand er sich. Nur jemandem wie Lucien oder Tizian, Anakahn und vielleicht auch Athaír. Er wusste immer noch nicht, was genau mit ihm dort geschehen war, wie viel Anteil sein Martyrium trug und wie viel Tizians Blut. Doch das spielte keine Rolle. Es hatte so geschehen müssen.
Nachdem er den Quader beiseitegelegt hatte, trat er zu Franklin und begann, dessen Nacken zu massieren. Dabei fiel ihm auf, dass Mels Vater sich im ersten Moment noch mehr verkrampfte, ehe er schließlich nachgab.
„Lucien war bei dir, nicht wahr?“ Seine Stimme klang leise, dennoch zuckte Franklin beim Namen des Lords zusammen, als hätte er ihn angeschrien. „Du musst nicht darüber reden, aber sogar Mel hat gemerkt, dass deine Nerven blank liegen, seit die Essenz des Lords die Stadt überflutet.“
„Es ist nichts. Ja, er war hier und ich traue ihm nun mal nicht. Doch sonst ist wirklich alles in Ordnung.“
Armand schürzte die Lippen, fragte aber nicht weiter nach. Er spürte, dass Franklin log, doch es war nicht an ihm, dem Ashera-Vater die Beichte abzunehmen. Luciens Wirkung auf Menschen war ihm vertraut, und sein Interesse an Mels Vater hatte sich schon vor einem Jahr gezeigt. Eigentlich sogar noch früher. Er hatte nicht einmal davor zurückgeschreckt, Franklin so weit zu manipulieren, dass dieser einen Keil zwischen ihn und Mel treiben wollte. Um des Lebens seiner Tochter willen und für einen Tropfen Blut des großen Lords.
Wenn er Lucien und dessen Charakter nicht so gut kennen würde, hätte er deswegen wütend auf Franklin sein können. Aber der Macht eines Vampirlords entzog sich selbst ein anderer Bluttrinker kaum. Von einem Menschen ganz zu
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