Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
kommen.
„Es wäre eine Geste. Geschäfte basieren auf Vertrauen.“ Sein Lächeln nahm jetzt wieder den teuflischen Ausdruck von Gerissenheit an, mit dem er ihr sonst begegnete. Er musste seiner Rolle treu bleiben, die gespielte Unterwürfigkeit nahm sie ihm sowieso nicht ab.
Kaliste drehte sich um und nickte in die Dunkelheit.
Also doch, dachte Blue, als ein Bajang aus den Schatten trat. Er warf Blue einen Beutel vor die Füße, vor dem Kaliste augenblicklich zurückwich. Die Kraft des Elektrums spürte sie also, auch ohne es zu berühren. Während er sich bückte, um es aufzuheben, ließ er weder den Bajang noch den Gef und erst recht nicht die Vampirin aus den Augen. Er öffnete den Reißverschluss, im Inneren leuchtete es silberweiß mit goldenen Reflexen. Elektrum inabsoluter Reinheit. Mit diesem Beutel konnte er den Energielevel über Wochen konstant halten.
„Darf ich davon ausgehen, dass der Prototyp jetzt mir gehört?“, fragte Kaliste zuckersüß.
Er durfte das nicht, aber das Elektrum war zu wertvoll. „Geschäft ist Geschäft.“
Als er früh am Morgen die Halle seiner Ahnen erneut betrat, fand er sie leer vor. Jedenfalls, wenn er von den bröckelnden Halbmumien und schlafenden Schönheiten absah.
Schon eine Handvoll des Elektrums ließ die Energieanzeige erheblich steigen. Hoffentlich fiel Lavant das nicht auf.
„Ha! Und wenn schon. Ich habe nichts damit zu tun.“ Den Beutel mit dem Rest verstaute er im bewährten Versteck. Er tastete den Hohlraum ab. Waffe und Munition lagen noch dort. Blue versuchte, sein wertvolles Gut dazuzuschieben, aber dafür reichte der Hohlraum nicht aus. Egal wie er drückte und arrangierte, es passte nicht. Mit einem leisen Fluch holte er die Waffe heraus. Jetzt konnte er den Beutel fast darin verschwinden lassen. Nur ein Stück ragte noch hervor. Das Risiko war ihm zu groß, dass Lavant es bemerkte. Also nahm er auch noch einen Teil der Munition mit. Jetzt war das pure Elektrum sicher vor neugierigen Blicken verborgen. Für die Waffe musste er sich eben ein anderes Versteck suchen oder sie im Zweifelsfall bei sich tragen.
Hinter ihm knirschte es leise. Als er sich umdrehte, fielen die Gesichtsknochen eines der Toten ein. Schmerz zog ihm die Brust zusammen. Das Gefühl, versagt zu haben, übermannte ihn und er schloss die Augen. Schluckte die Enttäuschung hinunter, wieder einen verloren zu haben.
„Es tut mir leid, Soljar“, wisperte er und sank neben dem Körper auf die Knie. Wer würde der Nächste sein? Die Zeit lief ihnen allen davon. Auch ihm.
Die Entscheidung war nahe. Er spürte es, hatte es schon vor einem Jahr gewusst, als Kaliste versuchte, Darkworld zu öffnen. Was oder wer befand sich darin, der ihr den Sieg hätte bringen können? Sie würden es nie erfahren.
So unglaublich es auch klang, Armand war Kaliste für ihre Tat und die Wochen innerhalb der Festung ohne Wiederkehr dankbar. Die Zeit hatte ihn mehr geprägt als alles andere in seinen über zweihundert Jahren auf dieser Erde. Ohne die Liebe zu Mel hätte er es nicht durchgestanden. Während des Kampfes gab es viel Zeit zum Nachdenken. Er hatte sein Leben, sein Denken und Fühlen infrage gestellt, sich von sich selbst entfernt und dadurch klarer gesehen – mehr gesehen. Andere zerbrachen in der Festung, er entkam ihr gestärkt. Bereit für die Aufgabe, die ihm zufiel und willens, an Melissas Seite zu kämpfen bis zum letzten Atemzug. Was auch immer in seiner Macht lag, damit sie ihr Schicksal erfüllte, er würde es tun.
Dazu konnte dieser Sangui wichtig werden. Lucien schien das zu glauben, sonst hätte er Blue nicht laufen lassen. Welchen Deal hatten die beiden geschlossen? Blue wirkte nicht wie jemand, der sich leicht manipulieren ließ. Aber etwas stimmte nicht mit ihm. Er war anders. Armand konnte es sich nicht erklären. Die Kraft von Alter und Beständigkeit ging von ihm aus. Jemand, der die Zeit überdauerte, ähnlich wie ein Unsterblicher. Doch ein Bluttrinker war Blue nicht, auch kein Gestaltwandler oder ein Sidhe. Was konnte es also sein? Eine unsterbliche Seele, die von einem Körper zum nächsten wanderte? Aber so jemand würde sich nicht als Dämonenjäger verdingen.
Armand war gespannt, ob Franklin neue Erkenntnisse hatte. Immerhin gingen alle Tagesmeldungen der Ashera über seinen Tisch und an Ereignissen mangelte es derzeit nicht. Regelmäßig suchte er Melissas Vater allein auf und Mel stellte keine Fragen. Sie sprachen überhaupt nicht mehr darüber, ob und wie
Weitere Kostenlose Bücher