Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Schadenfreude, dass er überleben würde, während mir der Amarok das Lebenslicht auspustete.
Mit pochender Schulter, in der bereits der Heilungsprozess einsetzte, kämpfte ich mich auf die Beine. Ich schwankte, sah Sterne vor den Augen tanzen. In meiner Nähe spiegelte sich das Sonnenlicht auf der Waffe eines gefallenen Ashera- Mitgliedes. Ich sah ihm nicht ins Gesicht, betete nur, dass es nicht Ben war, und riss das Schwert aus den leblosen Fingern.
Meinen Schlag wehrte der Riesenwolf ab, doch der Hieb trennte die Haut an seinem Vorderbein bis auf den Knochen auf. Leider fehlte mir die Kraft, mehr als zwei oder drei Schläge mit einer Hand, noch dazu der linken, zu führen. Ich versuchte, Zeit zu gewinnen, bis meine Schulter wieder halbwegs funktionierte, wich rückwärts, stolperte aber über eine tote Lupin. Der Amarok richtete sich über mir auf, sein Blut tropfte auf mich herab. Die Krallen waren geschätzte dreißig Zentimeter lang und auf meinen Brustkorb gerichtet.
„So nicht!“
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder vor Angst aufschreien sollte, als ich Bens Stimme vernahm. Bei ihm waren Sally, Steven und Thomas. Der Göttin sei Dank, sie waren am Leben. Gegen vier Schwerter aus Faun-Silber tat sich auch der Amarok schwer.
„Schnapp dir Domeniko!“, rief Steven mir zu.
Nichts lieber als das. Entschlossen setzte ich dem Flüchtigen nach, der sich hastig auf die Beine stemmte und mit baumelnden Armen davonlaufen wollte. Rachegelüste hin oder her, hier zählte nur, ein Ende zu machen. Das konnte ich buchstäblich mit links. Statt ihm hinterherzurennen, fasste ich das Schwert wie einen Speer und warf es mit aller Kraft. Mit einem hässlich schmatzenden Geräusch fuhr es Domeniko ins Rückgrat und stach aus der Brust wieder hervor. Er taumelte, knickte ein, blieb einen Moment knien und fiel nach vorn. Mit zitternden Knien wankte ich zu ihm. Ich wollte sicher sein, und außerdem brauchte mein Körper Kraft, um die Schulter zu heilen. Wieder einmal musste ich feststellen, dass totes Blut nicht schmeckte. Auch dann nicht, wenn es noch warm war. Doch eine Erkenntnis versüßte mir den bitteren Trunk: Der Albtraum war vorbei.
Erschöpft drehte ich mich um, sah den Amarok ebenfalls tot am Boden liegen. Der Garten von Gorlem Manor war völlig verwüstet, aber der Sieg unser.
Ben kam zu mir, schloss mich ungeachtet meiner Verletzung in die Arme und wirbelte mich herum. So registrierte ich das Geschehen am Brunnen nur aus den Augenwinkeln. Mein Aufschrei ließ Ben erstarren.
„Vater, nein!“
Franklin fiel. Ich sah die klaffenden Wunden auf seiner Brust, die Pharacs Krallen gerissen hatten. Sah den Blitz, aus Luciens Hand geschleudert, der den Lycanthropen niederstreckte. Doch es war zu spät. Franklin lag im Sterben. Die
rechte Hand
des falschen Fürsten hatte dessen Tod gerächt. Ich schmeckte noch Domenikos Blut auf den Lippen, als ich neben meinem Vater niederkniete – zwischen den letzten Wogen der Schlacht. Der Sieg war uns gewiss, ich musste nicht mehr kämpfen. Ich musste nur noch bei ihm sein.
„Melissa …“ Seine Stimme war schwach. Ein Blutstrom quoll aus seinem Mund und erstickte seine Worte. Genau wie bei Armand.
„Göttin, bitte! Nicht auch noch mein Vater. Nicht du, Franklin. Bitte nicht!“
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
„Es tut mir leid,
thalabi
. Ich war nicht schnell genug. Ich konnte ihn nicht retten.“
Heiße rote Tränen rollten über meine Wangen, während Lucien neben mir auf die Knie fiel und sein Körper von Trauer geschüttelt wurde. Es war das erste Mal, dass ich den Lord weinen sah.
„Es war nicht deine Schuld, Lucien.“
Raphael kam aus dem Rauch und dem Blut zu uns herüber. Seine gelben Augen hefteten sich auf meinen sterbenden Vater.
„Du kannst ihn retten“, sagte er zuversichtlich.
„Nein“, widersprach Lucien. „Bei einem Menschen vermag selbst Vampirblut nicht die tödliche Wunde einer Werwolfskralle zu heilen.“
Er hatte recht. Ich senkte niedergeschlagen den Kopf. Selbst Kalistes reines Blut in meinen Adern hatte nicht die Macht, den Tod zu vertreiben, der die Hand nach Franklin ausstreckte. Mein Zauber war zu schwach für so ein Wunder.
Behutsam nahm Raphael meine Hand und streifte etwas auf meinen Finger. Der Dämonenring! Ich hatte nicht mehr daran gedacht, seit er und Tizian aus der Unterwelt zurückgekehrt waren. Doch er war noch immer mein, verschmolz mit meiner Hand zu einer Einheit, als wäre er Teil meines
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