Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
anderen an, bloß still zu sein. Sie mussten nicht früher als nötig von ihrer Anwesenheit kundtun. Oder hatten die beiden Wölfe bereits ihren Geruch vernommen?
Verachtung und Spott bedeuteten die beiden Namen. Genauso klang ihr Gesang. Voller Verachtung für die Welt und Spott all denen, die noch an Rettung glaubten, wenn sie erst frei wären. Er fühlte, wie er zögerte. Am liebsten umgekehrt wäre.
Die Fackelträger, die vorangingen, blieben stehen. Er konnte es sich nicht leisten, vor ihnen das Gesicht zu verlieren. Mit gefletschten Zähnen drückte er sich an ihnen vorbei und zog die Dolmenwächterin mit.
„Das hast du mit Absicht gemacht. Uns so weit von der Höhle ankommen zu lassen.“ Die Versuchung war groß, ihr die Kehle durchzubeißen und mit ihrem süßen Blut den Zorn zu ertränken.
„Es kann bestimmt nicht mehr weit sein. Aber ich kenne mich hier unten nicht aus.“
Pharac schnaubte statt einer Antwort. Das Jaulen machte ihn wahnsinnig. Es tat in den Ohren weh und sogar in seinen Gliedern. Allmählich breitete sich Panik in ihm aus, die er nicht benennen konnte. Er wollte hier raus, dem wehmütigen Lied entrinnen, das sein Blut zum Kochen brachte. Ein verstohlener Blick zu den anderen zeigte keine Reaktion. Hörten sie es nicht? Oder reagierten sie nur nicht so stark darauf wie er? Er konnte es nicht fassen. „Hört ihr das nicht?“ Sie sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Die Wölfe. Hört ihr sie nicht heulen?“ Wenigstens nickten sie zögernd. Er bildete es sich also nicht ein.
„Es ist gewöhnlicher Wolfsgesang. Nur dass er sich an den Felsen bricht“, wagte einer zu sagen.
Pharac hieb ihm die Krallen über die Brust und knurrte ihn warnend an. „Das weiß ich. Halte mich nicht für einen Trottel.“
Der Lycanthrop schüttelte heftig den Kopf und presste die Hand auf die Schrammen. Unwillig wandte sich Pharac ab und stapfte weiter. Er ließ sogar die Fackelträger hinter sich. Dennoch umgab ihn ein Licht, im Rhythmus mit dem Geheul pulsierend. Er sah den Weg vor sich wie durch tiefes Wasser, kniff die Augen zusammen und stolperte weiter. Immer auf das Licht zu, das vor ihm davonzulaufen schien.
Torkelnd umrundete er einen Felsvorsprung und wäre beinah zwischen die beiden ungleichen Brüder gestürzt, die aus Fenris’ Lenden entsprungen waren.
Abrupt wandten die Wölfe ihm ihre Köpfe zu und schwiegen. Der Klang hallte noch einen Moment nach und Pharac schaukelte mit ihm vor und zurück. Sein Blick haftete auf dem schimmernden Fell zweier unerwartet kleiner Tiere. Zwar überragten sie ihn noch immer, doch sie waren weit davon entfernt, mit den Geschichten vom Amarok und den Waheelas oder gar Hels Totenwölfen mitzuhalten. Der eine war schlank und feingliedrig mit goldfarbenem Fell. Skalli, der Jäger der Sonne. Edel wie ein Prinz und ebenso erhaben vom Angesicht. Der andere, Hati, schillerte in Silbergrau und war von einem Glanz umgeben, als fiele Mondlicht auf ihn herab. Er war deutlich größer und trug einen mächtigen Kragen aus dichtem Pelz um die Schultern. Beide trugen Halsbänder und fremdartige Symbole auf Gesicht und Flanken. Sie hatten zwei Ruten, die sich unabhängig voneinander bewegten. Reglos saßen sie auf ihren Hinterpfoten und blickten Pharac an. Es sah aus, als ob sie lächelten. Erwartungsvolles Winseln drang zu ihm herüber, und Hati streckte ihm seine lange Schnauze entgegen wie zum Willkommensgruß.
Pharacs kleiner Trupp erreichte die Höhle und wurde nicht minder neugierig beäugt. Doch eine Aggression blieb aus.
In der Luft lag eine Spannung, die Pharac verunsicherte. Das Verhalten der Wölfe irritierte ihn. Statt ihres Gesangs hörte er jetzt ihre Herzen pochen. Sie waren aufgeregt, erwartungsvoll, und das spiegelte sich im Herzschlag wieder. Eine Trommel, die ihn hypnotisieren wollte. Immer abwechselnd, der Silberne und der Goldene. Er schüttelte den Kopf, um sich dagegen zu wehren. Sein Herz geriet ins Stolpern, im Versuch, mit denen der beiden Wölfe mitzuschlagen.
„Wir warten“, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Der Silberne senkte den Kopf, als würde er nicken und begann zu hecheln.
„Lass uns frei“, fügte der Goldene hinzu und leckte sich über die Schnauze.
Er tat einen Schritt auf sie zu, da fasste die Dolmenwächterin ihn am Arm. In ihren Augen stand Furcht. „Nicht! Du darfst sie nicht freilassen. Sie werden uns töten.“
Pharac sah sie an und runzelte die Stirn. Er spürte, dass sie wusste, wovon sie
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