Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
und berührte ihren Arm. Sie schien ihn nicht wahrzunehmen.
„Ich hab das nicht gewollt … doch nicht gewollt … nicht gedacht …“, stammelte sie und umschlang ihre Knie.
„Was, Nasri? Was hast du nicht gewollt?“
Als sie immer noch nicht reagierte, fasste er sie an den Schultern und schüttelte sie sanft. Endlich hob sie den Blick, starrte ihn voller Angst an und wurde von einem weiteren Weinkrampf geschüttelt. Sie klammerte sich an ihn, schluchzte und beteuerte immer wieder, dass es nie ihre Absicht gewesen wäre. Dass sie es nicht gewusst hatte. Blue wurde aus ihren Worten nicht schlau, begriff aber, dass er nicht mehr aus ihr herausbekam, solange sie in dieser Verfassung war.
Shit! Ihm lief die Zeit davon. Der Computer-Boy würde bestimmt bald aufwachen. Und die Nacht brach bereits herein. Er wollte zu Mel, sobald sie erwachte, um keine Zeit zu verlieren. Aber er konnte Nasri in diesem Zustand nicht allein lassen. Ob er einen anderen Dolmenwächter bitten konnte, auf sie aufzupassen? Sein Instinkt riet ihm ab. Da war was im Busch. Er konnte es spüren. Was auch immer Nasri so aufwühlte, es war nichts, was er ignorieren durfte.
Während er sie im Arm hielt, fühlte er sich wie auf heißen Kohlen. Und die Nähe ihres weiblichen Körpers erinnerte ihn an Mel. Verdammt, diese Gefühle konnte er jetzt nicht brauchen. Ihm riss der Geduldsfaden.
Möglich, dass er etwas grob war, aber im Angesicht des möglichen Weltuntergangs konnte man das wohl rechtfertigen. Jemand hätte diese verdammten Mayas kaltmachen sollen, ehe sie mit ihrem blöden Kalender überhaupt angefangen hatten. Wieso musste ein Lycanerkrieg ausgerechnet 2012 ausbrechen?
„Nasri, jetzt reiß dich mal zusammen und hör mit dem Gestammel auf. Wir haben echt andere Sorgen. Was ist los, dass du dir die Augen aus dem Kopf heulst und wie ein Drogenjunkie Löcher in die Luft starrst?“
Die Panik, von der sie geschüttelt wurde, konzentrierte sich jetzt zumindest – und zwar auf ihn. Aber das war zu vernachlässigen. Was sie sagte, dagegen keineswegs.
„Die Sternenwölfe sind frei.“
In Zeitlupe glitten seine Hände von ihren Schultern, als wögen sie Tonnen. Blue fühlte sich wie in einem Zeit-Raum- Kontinuum. Nein, wie in einem schwarzen Loch. Zur Hölle, er fühlte nichts. Da hätte Panik sein müssen, aber Fassungslosigkeit hielt dagegen. Er wollte Nasri schütteln, ihr verbieten, solch einen Quatsch zu erzählen, wenn er nicht ganz sicher gewesen wäre, dass es keiner war. Seine Haut war eiskalt und brannte gleichzeitig, in seinem Kopf spielten unzählige Grauensvisionen Fangen. Die Sternenwölfe – das konnte nicht sein. Und doch passte es so haargenau ins Gesamtbild, dass er Nasri glauben musste.
Als er sie wieder packte, stöhnte sie unter seinem Griff auf, aber darauf nahm er keine Rücksicht. „Bist du wahnsinnig? Was redest du da? Was soll das heißen, die Wölfe sind frei?“
Sie schüttelte abermals nur den Kopf, kämpfte mit Tränen und biss sich auf die Lippen. Ihre hellen Augen sahen aus, als wären sie aus Milchglas. „Ich hab sie hingebracht“, krächzte sie.
„Nasri, wir sind für die Wölfe verantwortlich. Wir wachen über sie. Nur unsere Tore führen zu ihnen und das aus gutem Grund. Wenn sie auf die Welt losgelassen werden …“
Nasri konnte ihm nicht länger in die Augen sehen und wandte den Kopf ab.
Blue ließ sie los und trat ein paar Schritte zurück. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und versuchte zu realisieren, was das bedeutete. Schließlich stemmte er eine Hand in die Hüfte und hielt die andere erhoben, nicht sicher, ob er weiteres Unheil symbolisch abwenden oder Nasri den Hals umdrehen wollte. „Dir ist klar, dass es da draußen keinen Tag dauert, bis die beiden buchstäblich über sich hinauswachsen?“
Ruckartig hob sie den Kopf. Ihr Blick gefiel ihm nicht. „Sie … sie haben schon …“
Er schüttelte den Kopf, obwohl ihm klar war, dass das nichts ändern konnte. Nasri duckte sich, als erwartete sie, dass er sie tatsächlich schlug, doch Blue gab nur ein verächtliches Schnauben von sich. So tief sank er nicht. „Wen hast du hingebracht, und was ist passiert?“ Den drohenden Blick hatte er immer schon gut draufgehabt, die Warnung, dass er nicht zögern würde, in ihrer Seele Tore zu erzeugen, wenn sie nicht sofort redete, tat ein Übriges. Nasri erzählte ihm alles. Von ihrer ersten Begegnung mit Domeniko, wie er sie überredet hatte, ihm zu helfen, den erzeugten Toren bei
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