Ruf Des Dschungels
Hölzchen unter den Papierstapel. Ich sah zu, wie die Blätter Feuer fingen und die Flamme sich ausbreitete, trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie ein Dokument nach dem anderen erst braun und dann schwarz wurde und schließlich zu Asche zerfiel.
Ein tiefes Schuldgefühl überkam mich. Man hatte mich gebeten, diese Unterlagen jemandem auszuhändigen. Nun waren sie für immer verloren.
Das hier ist nicht mein Krieg,
sagte ich mir energisch noch einmal, während ich verfolgte, wie das letzte Blatt den Flammen zum Opfer fiel. Nachdem die Sache erledigt war, drehte ich mich um und kehrte zum Haus zurück. Alles an mir roch nach Rauch, also holte ich mir etwas anderes zum Anziehen und ging ins Bad.
Als ich in die Dusche stieg und den alten ovalen Stein zur Seite schob, der einmal zur Axt eines Fayu-Kriegers gehört hatte, huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Papa benutzte ihn inzwischen, um damit das Loch abzudecken, durch das das Wasser abfloss. Im Gegensatz zu Europa bestehen die Duschen hier in West-Papua aus einem gemauerten Bereich mit einem kleinen Loch im Boden. Um ungebetenen Besuchen durch Kriechtiere und ähnliches Ungeziefer vorzubeugen, muss man das Loch verschließen, wenn die Dusche nicht benutzt wird.
Während ich den unangenehmen Geruch von mir abwusch, kehrten meine Gedanken zu unserer unmittelbar bevorstehenden Reise zurück. Im Kopf machte ich mir eine Liste mit all den Dingen, die ich mitnehmen wollte und noch einpacken musste. Wir würden fast vierzehn Tage bei den Fayu verbringen. Das war zwar nicht annähernd so lange, wie ich geplant hatte, doch Papa hatte mich getröstet, als wir gestern darüber sprachen: »Du kannst ja nächstes Jahr wiederkommen und mehr Zeit mit ihnen verbringen, wenn du möchtest.«
Ja,
überlegte ich unter der Dusche vor mich hin, als ich mir seine Worte noch einmal ins Gedächtnis rief.
Genau das werde ich tun.
Und mit diesem schönen Plan begann ich einen weiteren Tag in einem Land, das mich allmählich wieder in seinen Bann zog. Wie wunderbar es sich anfühlte, keine Angst mehr zu haben. Als würde ich gleich abheben und davonschweben. Glück hat wirklich etwas Magisches!
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3 Rückkehr ins Land der Fayu
E ndlich war es so weit. Der lang ersehnte Tag war gekommen. Unser Flug war für den frühen Morgen geplant, und ich hatte in der Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zugetan. Immer wieder schossen mir dieselben Fragen durch den Kopf: Wie würde ich mich wohl bei der Ankunft fühlen? Wie würden die Fayu auf mich reagieren?
Leider konnte ich nicht viel Gepäck mitnehmen, doch mein Rucksack und meine Fotoausrüstung mussten mit. Kleider waren dagegen nicht so wichtig, schließlich kann von »Mode« im Dschungel keine Rede sein, daher beschränkte ich mich auf wenige Teile und ein Paar Turnschuhe.
Draußen war es noch immer dunkel. Die kühle Luft fühlte sich auf meiner warmen Haut gut an. Jacop half uns, die vielen Säcke mit Lebensmitteln und die Kartons mit den anderen Gerätschaften im Wagen zu verstauen. Aron wollte uns begleiten, und ich freute mich, dass er weiter bei uns sein würde. Wir verabschiedeten uns von seiner Frau und den Kindern, die gekommen waren, um uns eine gute Reise zu wünschen. Papa trieb uns zur Eile an, denn wir waren spät dran, und der Pilot musste seinen Flugplan unbedingt einhalten.
Ich nahm meinen Stammplatz auf dem Rücksitz ein. Die Fahrt zu dem kleinen Flugplatz in Sentani dauerte etwa eine halbe Stunde, die mit Plaudern schnell herumging. Aron erzählte mir, wie sehr er die Fayu mochte und wie gern er bei ihnen im Dorf war. Er lebte nur deshalb nicht dort, weil seine Kinder in der Stadt bessere Chancen auf eine anständige Ausbildung hatten.
»Im Fayu-Dorf gibt es keinen Lehrer für sie«, erklärte er mir. »Wenn dein Vater nicht wäre, könnte ich nicht mal ihr Schulgeld bezahlen.«
»Aber Aron«, erwiderte ich, »du gehörst doch zu uns. Wir sind alle eine große Familie!«
Er umarmte mich lachend. »Wie schön, dass du wieder da bist«, sagte er liebevoll.
Schnell wandte ich mich ab und sah aus dem Seitenfenster, um die Tränen zu verbergen, die mir in die Augen stiegen.
Wie sehr ich dieses Land liebe,
dachte ich.
Wie konnte ich nur so lange wegbleiben?
Endlich erreichten wir den kleinen Flugplatz, wo uns der Pilot schon erwartete. Nachdem er uns begrüßt hatte, wog er das Gepäck, um sicher zu sein, dass das zulässige Gewicht nicht überschritten war. Währenddessen ging ich ein bisschen herum und sah
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