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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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hatte uns fast erreicht, und mein einziger Gedanke war:
Das war’s!
Jacop wird niemals rechtzeitig an dem Truck vorbeikommen.
Doch meine Befürchtungen waren unbegründet, wir erreichten unsere Fahrbahnhälfte unversehrt. Um mich abzulenken, beschloss ich, die vorbeiziehende Landschaft zu genießen.
    Als wir Abepura, einen Ort zwischen Waena und Jayapura, erreichten und ich das eine oder andere wiedererkannte, begann mein Herz schneller zu schlagen. Hier hatten wir gewohnt, als wir 1978 zum ersten Mal nach Indonesien kamen.
    »Sieh nur, Papa«, rief ich aufgeregt. »Dort ist mein Kindergarten.« Neugierig musterte ich die Mauern der katholischen Kindertagesstätte, in der ich damals im Alter von fünf Jahren ein paar Monate verbracht hatte, bevor wir in den Dschungel zogen. Kurz danach bogen wir links ab, in eine kleine, schmale Straße.
    »Weißt du, wo wir hier sind?«, fragte Papa.
    Ich sah genauer hin, kniff die Augen gegen die blendende Sonne zusammen und betrachtete die Gegend eingehend. Ja, nun konnte ich mich erinnern: Wir hatten damals hier gelebt. Hier, genau, der Zementbau, die einfachen Häuser, die verwahrlosten Gärten – in diesem Haus hatten wir gewohnt, als ich Mari kennen lernte.
    »Papa, können wir bitte kurz anhalten und aussteigen?«, fragte ich.
    »Das geht jetzt leider nicht«, antwortete er. »Du musst mit Jacop ein andermal herkommen. Wir haben noch viel in der Stadt zu erledigen heute.«
    Mit einem enttäuschten Seufzen lehnte ich mich gegen die Rückbank, sagte jedoch nichts.
    Eine halbe Stunde später erreichten wir endlich Jayapura. Es überraschte mich, wie wenig sich das Stadtbild verändert hatte. Die Geschäfte waren vielleicht etwas größer geworden, und auch das Warenangebot hatte sich erweitert. Aber nach wie vor gab es die kleinen Bretterbuden am Straßenrand, die alles Mögliche verkauften, von Plastikeimern bis hin zu von Hand zubereiteten Snacks, die in Folie eingewickelt waren. Eines war dagegen deutlich anders als damals, und das war die enorme Auswahl an westlichen Produkten. Sogar eine Filiale von Kentucky Fried Chicken hatte irgendwie ihren Weg zu diesem Fleckchen Erde am anderen Ende der Welt gefunden. Läden mit westlicher Musik und Computershops beherrschten inzwischen die einst so ursprünglichen Straßen.
    Als ich kurz darauf im Supermarkt stand, wollte ich meinen Augen kaum trauen. Dort gab es jetzt Milch, Butter und Obstsorten, von denen ich als Kind nur hatte träumen können. Äpfel, Orangen und sogar Trauben waren in großen Kühlboxen gestapelt. Doch zu meiner Freude entdeckte ich auch all die Dosengerichte und Kekse wieder, die mir in meiner Kindheit so vertraut gewesen waren. Ich packte meinen Einkaufswagen voll mit den geliebten Sachen von damals: Kekse mit künstlichem Vanillegeschmack, Gemüse in Dosen, das mehr nach Metall als nach Gemüse schmeckte, tropische Früchte und löslicher Kaffee. Wir zahlten und traten aus der klimatisierten Luft hinaus in die Mittagshitze, die über den staubigen Straßen lag. Ich spürte, wie mir der Schweiß über den Nacken rann.
    Wir beschlossen, eine Kleinigkeit essen zu gehen, und ich beharrte so lange auf einem indonesischen Lokal, bis die anderen nachgaben. Zufrieden folgte ich ihnen auf dem holprigen Gehweg und betrachtete meine Umgebung. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass erstaunlich wenige Einheimische zu sehen waren. Stattdessen waren hauptsächlich Leute aus Java unterwegs, leicht zu erkennen an der helleren Haut und den glatten Haaren. Ich fragte mich, warum. Als ich klein war, waren deutlich mehr einheimische Papua auf den Straßen gewesen. Irgendetwas hatte sich verändert auf dieser Insel.
    Als wir das Restaurant erreichten, brachte mich der köstliche Duft nach Reis und gebackenen Bananen, der aus der Küche drang, schnell auf andere Gedanken. Ich genoss das Essen in vollen Zügen und war begeistert, dass mein Lieblingsgetränk
es jeruk
 – frisch gepresste Mandarinen mit Wasser und gestoßenem Eis – noch immer so lecker schmeckte, wie ich es in Erinnerung hatte.
    Satt und zufrieden trat ich durch die Glastür des Restaurants ins Freie und blinzelte. Eine Gruppe Papua stand wenige Meter entfernt an einer Straßenecke und beobachtete uns. Ihre Augen waren dunkel, düster, und ein bitterer Zug beherrschte ihre Mienen. Schnell wandte ich den Blick ab und fühlte mich dabei irgendwie schuldig.
Wir sehen es nicht, wir hören es nicht, wir reden nicht darüber.
Ein ungeschriebenes Gesetz, das sich uns

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