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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Schließlich sind bisher nicht wenige Ihrer Mitstreiter spurlos verschwunden oder getötet worden.«
    »Nein, denn das hier ist meine Heimat, mein Land, und ich kann nicht länger schweigen. Natürlich haben sie mich im Visier. Sie observieren mich täglich, folgen mir auf Schritt und Tritt. Aber das wird mich nicht davon abhalten, die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit über die unwürdige Behandlung der Menschen in diesem Land. Falls sie mich töten, so ist dies mein Schicksal. Doch ich werde hier in meiner Heimat bleiben, bei meinem Volk, in guten wie in schlechten Zeiten. Wir werden uns wehren, und wir werden so lange kämpfen, bis wir endlich frei sind. Wir tun das alles hier nicht für uns und unseren Ruhm, sondern für unsere Kinder. Unsere Kinder sollen eine bessere Zukunft haben.«
     
    Als mich zwei Männer zu einem Wagen mit abgedunkelten Scheiben begleiten, damit der Geheimdienst, der das Haus des Reverends beobachtet, mich nicht erkennt, wird mir plötzlich schwindlig. Ich habe das Gefühl, dass mein Leben sich gerade komplett ändert, dass ich an einer Wegkreuzung stehe. Ich muss an meinen Traum denken, der mich wiederholt geplagt hat, an die dunklen Gewitterwolken, die auf das Land der Fayu zusteuern. Angst ergreift von mir Besitz, das Undenkbare wird allmählich Realität.
Wie lange wird es noch dauern, bis sie das Gebiet der Fayu erreichen?,
frage ich mich. Der Satz schnürt mir die Kehle zusammen, und ich schließe die Augen.

[home]
8 Verzeihen lernen
    E ines Tages ging ich mit Häuptling Kologwoi durch den Urwald«, begann Papa zu erzählen.
    Es war spät am Nachmittag, und wir liefen über die Dschungelbrücke zum Fluss hinunter. Papa ging voraus, ich folgte dicht hinter ihm. Die Sonne stand schon tief am Himmel, und die Hitze ließ mit der untergehenden Sonne allmählich nach.
    »Weißt du was, Sabine?«, unterbrach Papa sich. »Häuptling Kologwoi hat mir neulich erst gesagt, dass du auch seine Tochter bist. Er hat sich erkundigt, wann er endlich seine Enkelkinder kennen lernt.«
    »Ja, ich weiß. Nakire und Kloru fragen auch ständig«, erwiderte ich. »Inzwischen habe ich so viele Geschwister, Nichten und Neffen, dass ich völlig den Überblick verloren habe. Es ist schon etwas Besonderes, Teil einer so großen Familie zu sein, auch wenn ich nicht immer verstehe, was sie sagen.«
    »Wo war ich noch mal stehen geblieben?«, fragte Papa.
    »Dass du einmal mit Häuptling Kologwoi im Dschungel unterwegs warst«, antwortete ich.
    »Oh ja. Wir haben also …«
    »Pass auf, Papa!«, rief ich. »Dreh dich nicht dauernd zu mir um. Sonst stürzt du noch ab und landest unten im Sumpf. Ich habe keine Lust, dich wieder rauszuziehen. Schließlich bist du nicht gerade leicht!«
    »He!« Papa drehte sich lachend zu mir um und zog den Bauch ein. »Schau mal, wie viel ich abgenommen habe!«
    »Schon gut«, grinste ich. »Jetzt erzähl schon weiter.«
    »Wir liefen also durch den Dschungel, Häuptling Kologwoi zeigte auf verschiedene Stellen im dichten Gehölz und sagte: ›Sieh mal, Klausu, hier habe ich einen Kasuar erlegt‹ oder ›Unter diesem Baum habe ich einen Vogel gegessen‹ und ›Dort drüben habe ich einen wilden Eber angeschossen, aber er ist mir leider entwischt. Mein Pfeil ist nicht tief genug eingedrungen.‹ Häuptling Kologwoi machte weiter mit seiner Sightseeing-Tour, bis er plötzlich stehen blieb, mich am Arm fasste und flüsterte: ›Siehst du die beiden Bäume dort drüben, Klausu? Wenn du zwischen ihnen durchgehst, kommst du zu einem versteckten Pfad, den wir damals angelegt haben. Wir hatten vor, sie alle umzubringen, Männer, Frauen, Kinder. Keiner von ihnen sollte überleben.‹«
    »Wen umbringen?«, unterbrach ich Papa erstaunt. »Ich dachte, die Fayu-Stämme bekämpfen sich seit Jahren nicht mehr.«
    »Untereinander nicht, da hast du Recht«, antwortete er. »Der Häuptling meinte den Stamm der Dou. Du weißt schon, sie wohnen flussabwärts, dort, wo wir damals immer im Dschungel gelandet sind und dann ein Boot zu den Fayu genommen haben. Zu der Zeit gab es die Landebahn in Quisa noch nicht.«
    »Was war denn zwischen den Fayu und den Dou passiert?«, fragte ich, verwundert, dass ich nichts davon gehört hatte.
    Papa räusperte sich und begann zu erzählen.
     
    »Vor etwa sechs Jahren ging ein Dou-Krieger auf die Jagd und kehrte nicht wieder zurück. Einige Wochen später fand ein Fayu seine schon halb vermoderte Leiche. Er sammelte die Habseligkeiten des Toten zusammen und

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