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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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»›Wenn der Fayu den Jäger tatsächlich getötet hat‹, so fragte ich sie, ›wieso hat er dann die persönlichen Sachen des Toten zurückgebracht und sie nicht für sich behalten, wie es in Kriegszeiten üblich war?‹
    Da sprang plötzlich der Alte auf, der das Gerücht in die Welt gesetzt hatte. Er zeigte mit dem Finger auf mich und schrie: ›Die Fayu sind gar nicht das Problem, weißer Mann. Du bist das Problem. Du hast mir mein Recht auf Rache genommen. Mein Recht, sie alle zu töten und so den Tod meiner Stammesgenossen zu rächen.‹
    Sabine, in dem Moment war ich derart schockiert, dass ich keinen Ton herausbrachte. Nie zuvor in meinem Leben ist mir eine derart hasserfüllte Person begegnet. Der Häuptling und die anderen Dorfältesten gaben zwar zu, dass mein Einwand irgendwie berechtigt sei, wiesen aber jedes Vermittlungsangebot zurück. Also verließ ich das Gebiet der Dou. Wenige Wochen später erhielten wir die Genehmigung, eine Landebahn in Quisa zu bauen.
    Wieder bei den Fayu, trauerte ich mit ihnen; wir weinten und sangen mehrere Tage lang Klagelieder. Es brach mir förmlich das Herz, als ich ihren tiefen Schmerz spürte. Wenige Wochen später verließen die Fayu das Dorf, in dem sie viele Jahre mit uns gelebt hatten, und errichteten ihre alten, mitten in den Sümpfen gelegenen Siedlungen wieder neu.
    Ich habe ihre Angst buchstäblich spüren können, vor allem nachts. Sie zogen sich also auf sicheres Terrain zurück, das niemand außer ihnen zu betreten wagte.
    Doch erst Monate später, an dem Tag, als ich mit Häuptling Kologwoi durch den Urwald lief und er mir den geheimen Pfad zeigte, erfuhr ich die ganze Geschichte. Um Haaresbreite wäre nämlich etwas geschehen, das den Untergang der Fayu hätte bedeuten können.«
    Hier stand einst das Dorf. Der Dschungel hat das Land wieder übernommen.
    Wir waren am Klihi-Fluss angekommen. Papa setzte sich auf den Steg, um sich auszuruhen, ich setzte mich neben ihn. Um uns herum herrschte eine Stille, als wäre die ganze Welt stehen geblieben, um diese Geschichte mit anzuhören.
    »Was meinst du damit, dass etwas geschehen sei, was den Untergang der Fayu hätte bedeuten können?«, fragte ich Papa.
    Mit dem Rauschen des Wassers im Hintergrund und einem wunderschönen Sonnenuntergang am Himmel fuhr Papa mit seiner Geschichte fort.
    »Nachdem das kleine Mädchen der niedergemetzelten Fayu-Familie genesen und zu seinem Stamm zurückgekehrt war, hielten die Männer eine Versammlung ab. Nachts am Feuer fassten sie einen Entschluss. Sie wollten das komplette Dorf der Dou, also ganz Kordesi, ausrotten, Männer, Frauen und Kinder. Keiner sollte verschont werden. Die Flamme der Rache hatte sich wieder entzündet. Und dies war ihr Plan:
    Kordesi wird auf der einen Seite durch einen Nebenfluss des Klihi und auf der anderen durch undurchdringliches Sumpfgebiet begrenzt. Daher gilt das Dorf als schwer zugänglich und hat den Dou seit Generationen als sicherer Hafen gedient. Wenn überhaupt, so kamen Angriffe ausschließlich vom Fluss her, der aber jederzeit bestens bewacht war. So konnten die Dou sich immer problemlos verteidigen.
    Doch die Fayu überlegten, wie sie die Dou in eine Falle locken konnten, aus der es kein Entkommen gab. Zunächst schickten sie einige Späher vor, die das Gebiet rund um das Dorf über mehrere Wochen beobachteten und herausfinden sollten, welche Angriffsroute die beste sei. Dann schlugen sie einen Pfad durch den dichten Dschungel.
    Der Plan sah vor, dass sie, sobald sie die Sümpfe erreicht hatten, eine Brücke bauen wollten, die direkt hinter dem Dorf endete. Alles war bis ins letzte Detail sorgfältig geplant, die Entfernung, der Abstand und die verschiedenen Winkel, aus denen der Angriff erfolgen sollte. Es war so, dass ein paar vereinzelte Fayu das Dorf vom Fluss aus angreifen und die Bewohner dazu zwingen sollten, in das Sumpfgebiet zurückzuweichen. Dort würden die übrigen Fayu-Krieger in einem Hinterhalt lauern, und die wehrlosen Dorfbewohner wären ein leichtes Ziel. Denn die Dou-Krieger würden damit beschäftigt sein, den Angriff vom Fluss abzuwehren, ohne zu ahnen, was hinter ihnen geschah.
    Sie hatten vor, jeden einzelnen Dou zu töten, kein einziger sollte den Angriff überleben. Als ich davon hörte, wurde mir heiß und kalt, und ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich.«
    »Aber Papa«, fragte ich, »warum haben sie ihren Plan nicht durchgeführt?«
    »Ja, warte nur ab. Während die Fayu alles für den Angriff

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