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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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niedergelassen hatten, «vom Tod Ihres Vaters unter – so traurigen Umständen zu lesen. Das Rätsel um Wraxford hat viele Leben zerstört.»
    «Das hat es in der Tat, Miss Langton.»
    «Sie schrieben in Ihrem Brief», fuhr ich fort, «dass Sie hoffen, das Andenken an Ihren Vater reinwaschen zu können   … Vielleicht können Sie mir etwas mehr über Ihren Vater erzählen.»
    «Ich war erst sechs Jahre alt, als er starb; das meiste weiß ich von meinen Großeltern. Mein Vater war, wie Sie wissen, der persönliche Arzt von Mrs   Bryant, die eine durch und durch unangenehme Person gewesen sein muss. Seine Rolle bestand darin, ihr zuzustimmen und ihren diversen Launen nachzugeben. Ein älterer Kollege hatte ihn ihr vorgestellt. Es schien ein gutes Angebot zu dem Zeitpunkt, aber natürlich wollte der Mann sie einfach los sein. Meine Mutter hat sie nur einmal getroffen und hasste sie sofort.»
    «Das kann ich mir gut vorstellen», sagte ich. Als er mich neugierig ansah, fiel mir ein, dass ich vorsichtiger sein musste. «Meine Mutter meint», nahm er den Faden wieder auf, «dass er Magnus Wraxford etwa sechs Monate vor dem tödlichen Besuch in Wraxford Hall kennenlernte. Sie selbst hat ihn nie gesehen, aber mein Vater war von ihm fasziniert – ebenso wie, natürlich, Mrs   Bryant   –»
    Dieses Mal biss ich mir auf die Lippen und sagte kein Wort.
    «–   die von nichts anderem mehr sprach als von Doktor Wraxford, und meines Vaters Rolle als Arzt war überflüssiger denn je – meine Mutter sagt, dass er ebenso gut ihr Schoßhündchen hätte sein können.» Mir fiel ein, dass Nell dasselbe Bild in ihrem Tagebuch verwendet hatte. «Mrs   Bryant machte kein Geheimnis daraus, dass sie Doktor Wraxford zehntausend Pfund für sein Sanatorium gegeben hatte, lange bevor sie Wraxford Hall das erste Mal sah. Er hypnotisierte sie regelmäßig, und ich frage mich, wie sehr er dabei auf sie eingewirkt hat. Die meisten Ärzte erachten Hypnose heutzutage als reine Scharlatanerie.
    Der fatale Fehler meines Vaters lag darin, wider besseres Wissen diesen Totenschein zu unterschreiben. Die Autopsiebrachte keine Befunde, aber Mrs   Bryants Sohn war davon überzeugt, dass mein Vater und Doktor Wraxford sie wegen ihres Geldes vergiftet hatten. Er, also ihr Sohn, ging sogar so weit zu behaupten, sie habe es bereut, Magnus die zehntausend Pfund gegeben zu haben, und hätte das Geld zurückgefordert, wenn sie nicht in jener Nacht gestorben wäre. Und so kamen die Gerüchte in Umlauf.
    Hätte mein Vater eine etablierte Praxis gehabt, dann hätte er dem Sturm standhalten können. Aber für einen Mann, der keine Patienten hatte, bei denen er Rückhalt hätte finden können, bedeuteten die vielsagenden Anspielungen das Ende. Mein Großvater – mütterlicherseits – hätte ihn unterstützen können, auch wenn er gegen die Heirat gewesen war. Aber meinem Vater gelang es, das Ausmaß seiner Schulden mehr als ein Jahr zu verbergen. Als er seine Kreditoren nicht weiter vertrösten konnte, erschoss er sich. Er war erst nach drei Tagen tot.»
    «Das zu hören tut mir wirklich leid», wiederholte ich und dachte, wie banal die Worte doch klangen. «Und – was taten Sie und Ihre Mutter und Schwester?»
    «Mein Großvater nahm uns auf   … Darf ich fragen, Miss Langton, woher Sie wissen, dass ich eine Schwester habe?»
    Ich realisierte, dass ich es in Nells Tagebuch gelesen hatte.
    «Ich – äh – ich glaube, Mr   Montague, der Anwalt – er ist ertrunken, wissen Sie, sehr tragisch, vor vierzehn Tagen – er muss es erwähnt haben. Sagen Sie, Mr   Rhys, was glauben Sie, wie Mrs   Bryant gestorben ist?»
    «Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Mein Freund und Kollege, Vernon Raphael, den Sie, glaube ich, kennen – ist Ihnen nicht gut, Miss Langton?»
    «Nein, nein, nur ein kurzes Unwohlsein», hörte ich mich mit John Montagues Worten sagen – «Ihr Kollege – sagen Sie bitte, wo?»
    «In der Gesellschaft für die Erforschung der Psyche. VerzeihenSie, Miss Langton, Ihnen scheint wirklich nicht wohl zu sein!»
    «Es ist nichts, bestimmt. Hat Mr   Raphael Ihnen zufällig erzählt, unter welchen Umständen wir einander begegneten?»
    «Nein», sagte Edwin Rhys und errötete. «Nichts dergleichen. Als ich ihm erzählte, dass ich hierherkäme, sagte er nur, dass Sie einander kennen.»
    Mir wurde klar, dass nur die Wahrheit – oder so viel, wie zu erzählen ich ertragen konnte – das Missverständnis ausräumen konnte.
    «Es ist nicht, was

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