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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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«Mehr noch: Ich vertraue ihr. Es kommt mir vor, als würde ich ihre Stimme erkennen können, wenn ich sie hörte. Alles, was sie tat – selbst als sie zustimmte, sich an diesen schrecklichen Ort zu begeben   –, tat sie um Claras willen. Sie war es nicht, die Mrs   Bryant nach Wraxford Hall eingeladenhat, Magnus Wraxford lud sie ein, und er war ein böser Mensch   … siehst du das nicht?»
    «Nein, das kann ich nicht verstehen. Verrückte Menschen können sehr glaubhaft wirken in ihrem Handeln, dabei aber von Wahnvorstellungen genötigt werden, die zu verbergen ihnen so lange gelingt, bis es zu spät ist. Sie schrieb selbst, dass sie unter Halluzinationen litt   –»
    «Sie nannte sie Visitationen.»
    «Es ist dasselbe Phänomen. Verstehe mich nicht falsch. Sie mag jedes Wort, das sie in diesen Tagebüchern schrieb, ernsthaft geglaubt haben. Aber das bedeutet nicht, dass
wir
ihr glauben müssen. Sogar John Montague räumt die Möglichkeit ein, und er war in sie vernarrt – runzle nicht die Stirn, das ist unleugbar   –, und du darfst nicht vergessen, dass er Magnus Wraxford bis zu dem Tag bewunderte, an dem er Eleanor in Wraxford Hall besuchte.
    Ich verstehe nicht, was dich so gegen Magnus einnimmt. Wenn du dir die Ehe aus seiner Sicht vorstellst: Sie selbst gibt zu, dass er sich auf bewundernswerte Weise zurückhielt. Er schlug sie nicht, er bedrohte sie nicht, er zwang sie nicht. Sie schreibt, dass sie sich zutiefst vor ihm fürchtete, aber er tat doch ganz offensichtlich sein Bestes, eine junge, verstörte Frau zu besänftigen. Und dann – als bedürfe es noch eines weiteren Beweises – schreibt er in seinem letzten Brief, dass er sie auf der Treppe sah.»
    «Du glaubst also, dass sie alle drei umgebracht hat: ihren Ehemann, ihr Kind und Mrs   Bryant?»
    «In Magnus’ Fall gibt es da keinen Zweifel: Die Geschworenen haben es so befunden, und solltest du eines weiteren Beweises bedürfen, so hältst du ihn in den Händen. Mrs   Bryant kann gut im Schrecken gestorben sein, aber ist es nicht allzu wahrscheinlich, dass Nell der Anlass dafür war? Und was das Kind betrifft: Wer sonst könnte oder sollte es umgebracht haben?
    Du schüttelst den Kopf. Aber was ist mit den Diamanten? Du wirst wohl nicht bestreiten, dass Magnus sie für sie gekauft hat – und auch nicht, dass sie sie stahl? Die wohlwollendste Annahme dürfte sein, dass sie sich selbst und dem Kind in einem Anfall von Reue das Leben nahm – vielleicht, während Magnus noch am Leben war, aber eingeschlossen – und dass ihre sterblichen Überreste in einem unzugänglichen Schacht in den Tiefen des Mönchswalds liegen. Wie willst du sonst die Geschehnisse erklären?»
    «Wenn sie Magnus wirklich am Herzen lag», sagte ich, «warum hat er dann zugelassen, dass Mrs   Bryant sie demütigte, ganz zu schweigen davon, dass er darauf bestand, dass sie bei der Séance anwesend sein sollte – und zwar ausgerechnet in diesem Haus des Bösen? Wir wissen nicht, ob sie die Diamanten nahm, und wir haben nur Magnus’ Aussage, dass er sie ihr schenken wollte. Aber vielleicht hat er sie für Mrs   Bryant gekauft. Und als Magnus und Doktor Rhys sich an dem Morgen Zugang zu ihrem Zimmer verschafften   …»
    Ich verstummte bei dem Gedanken an Nells letzte Visitation. Sie hatte Edward Ravenscrofts Tod vorhergesehen – und dann ihr eigenes und Claras Verschwinden. Ich blätterte in John Montagues Aufzeichnungen zurück:
     
    Wenn da sey ein man, welcher wuzste zu lenken die kraft des blitzes, gleich dem rechenden Engel am Tag des Jüngsten Gerichts   …
     
    «Findest du das nicht auch eigenartig», sagte ich nicht ohne Unbehagen, «dass beinahe
jeder,
der sich dieser Rüstung genähert hat, entweder verschwunden oder auf unnatürliche Weise zu Tode gekommen ist? Thomas, Felix und Cornelius Wraxford; Mrs   Bryant, Nell, Magnus selbst   … Und Magnus könnte sich geirrt oder gelogen haben – was die Frau auf der Treppe angeht.»
    «Du willst doch nicht böse Geister zu Eleanor WraxfordsVerteidigung anführen, oder? Du glaubst nicht wirklich, oder, dass ein Geist die Diamanten gestohlen oder ihr Kleid in der Rüstung eingeklemmt hat?»
    «Nein. Aber jemand anderes könnte es getan haben. Nimm mal an, dass Magnus in einen bösen Ritus involviert war   … ein Komplize könnte ihn unterstützt und sich dann gegen ihn gewandt haben   –»
    Ein Stück Kohle zerbrach, und das laute Knacken und das Auffliegen von Funken ließen mich

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