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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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dieselbe Frage gestellt, und er lächelte mich nur vielsagend an. Raphael lässt sich nicht in die Karten blicken, Miss Langton. Ich habe die Ehre, ihn als Freund bezeichnen zu können, aber sein einziger wirklicher Vertrauter ist St John Vine, mit dem zusammen er alle Fälle untersucht. Gemeinsam haben sie mehrere sehr ausgefeilte Schwindel offenbar gemacht, darunter einen, den selbst Mr   Podmore nicht hatte aufdecken können. Alles, was ich sagen kann, ist, dass Raphael sich sehr sicher sein muss, wenn er so eine Aussage macht.»
    «Und Sie, Mr   Rhys, haben Sie eine eigene Version?»
    «Ich frage mich, ob die Wraxfords nicht zusammengearbeitet haben – ich meine, dass ihre Entfremdung vorgetäuscht war   –, um Mrs   Bryant in die Falle zu locken und mehr Geld von ihr zu bekommen. Wenn dem so war, dann müssen sie sich zerstritten haben; vielleicht wurde Eleanor Wraxford eifersüchtig auf Mrs   Bryant   –»
    «Das stimmt mit Sicherheit nicht», sagte ich warm.
    «Miss Langton», sagte er nach einer Pause. «Ich habe den Eindruck, dass Sie mehr wissen, als   … Sind Sie sicher, dass Sie mir nichts sagen können, was den Fall meines Vaters erhellen würde?»
    «Ganz sicher, Mr   Rhys. Belassen wir es dabei, dass ich meine Gründe dafür habe, das Rätsel gelöst sehen zu wollen.» In den letzten Minuten war mir aufgegangen, dass ich den großen Wunsch verspürte, Nell Wraxfords Wegen nachzugehen und Wraxford Hall selbst zu sehen.
    «Diese Untersuchung», sagte ich, «was denken Sie, wie lange die dauern wird?»
    «Nach Raphaels Bemerkungen zu schließen, würde die Gruppe nur eine, höchstens zwei Nächte bleiben müssen.»
    «Aber das Herrenhaus ist verfallen, es steht seit zwanzig Jahren leer. Wie würde eine solche Gruppe versorgt werden? Wie groß wäre sie?»
    «Höchstens ein halbes Dutzend; es sind alte Kämpen, Miss Langton, und sie würden alles mitbringen: Feldbetten, Verpflegung und so fort   … Glauben Sie, Ihr Onkel würde dazustoßen wollen?»
    «Nein, Mr   Rhys. Ich möchte gerne – wobei ‹möchten› schwerlich der richtige Ausdruck ist – mitkommen. Allerdings weiß ich nicht, wie ich ohne eine Anstandsdame eine Gruppe von Männern begleiten kann, und ich habe keine Freundin, die mit mir kommen würde.»
    «Miss Langton, wenn das das einzige Problem ist, dann versichereich Ihnen, dass ich Sie beschützen werde wie meine eigene Schwester.»
    «Es ist mein Onkel, den Sie überzeugen müssen   … Erzählen Sie mir von Ihrer Schwester.»
    «Gwyneth ist gerade einundzwanzig geworden, sie ist etwa so groß wie Sie, Miss Langton, nur blond, nicht dunkelhaarig, eine begeisterte Romanleserin, und sie musiziert und singt wie ein Engel.»
    «Also nicht wie ich. Ich kann kaum eine Note spielen, und mein Gesang wäre eine Strafe. Denken Sie, sie könnte mitkommen?»
    Ein Schatten huschte über sein Gesicht. «Leider nein, Miss Langton. Meine Mutter hält nicht viel davon, dass ich mich mit alten Skandalen, wie sie es nennt, abgebe. Sie hat meinem Vater nie verziehen, dass er uns in den Ruin getrieben – so ihre Worte – und die Zukunftsaussichten meiner Schwester verdorben hat.»
    «Das wird meinen Onkel kaum beruhigen. Aber ich werde ihn fragen und sehen, was er sagt. Bis dahin vertraue ich darauf, dass Sie alles, was wir heute besprochen haben, mit der größten Vertraulichkeit behandeln, Mr   Rhys. Ich werde Ihnen möglichst bald schreiben.»
    Als ich mich zum Abschied erheben wollte, gewahrte ich, dass ich vor Erschöpfung zitterte, oder vielleicht vor Angst vor dem, was ich ins Rollen gebracht hatte.
     
    ∗∗∗
     
    Ich hätte mich meinem Onkel natürlich widersetzen können. Aber ich wollte keinen Bruch zwischen uns herbeiführen und wagte nicht einmal anzudeuten, dass ich Clara Wraxford sein könnte. Auch konnte ich nicht über John Montagues Tod sprechen, der mich sehr beschäftigte: Mal trauerte ich um ihn, als wäre er ein alter Freund und Vertrauter gewesen, mal war ichverärgert und fühlte mich betrogen. Aber dann rief ich mir in Erinnerung, wie krank er ausgesehen hatte an jenem Tag, und fragte mich, ob er so lange kraft seines Willens am Leben geblieben war, bis er den Forderungen seines Gewissens nachgekommen war. Und ich wusste vor allem, dass ich nur mit seinem Andenken – und mit mir selbst – Frieden finden würde, wenn ich die Pflicht, die er mir übertragen hatte, erfüllt hätte.
    Mein Onkel war Bohemien genug, um das Fehlen einer Anstandsdame nicht für ein

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