Ruf mich bei Deinem Namen
Badehose in den Mund gesteckt, sie gestohlen, für immer behalten, sie
nie von Mafalda waschen lassen, um in den Wintermonaten zu Hause Trost an ihr zu finden, an ihr zu schnuppern, ihn wieder lebendig zu machen, so nackt wie er in diesem Augenblick vor mir stand.
Spontan zog ich meine Badehose aus und seine an. Ich wusste, was ich wollte und ich wollte es mit jener Lust, die einen Risiken auf sich nehmen lässt, wie man sie nicht einmal mit reichlich
Alkohol im Blut eingehen würde. Ich wollte in seiner Badehose kommen und ihm die Spuren hinterlassen. Dann aber fiel mir noch was Tolleres ein. Ich schlug das Bett auf, zog seine Badehose aus
und streichelte sie. Sollte er mich ruhig finden, ich würde damit umgehen können, so oder so. Das Bettgefühl war vertraut, es war ja mein Bett. Aber was mich umgab, war sein Geruch,
kraftvoll und tröstlich – wie die sonderbare Ausdünstung, die plötzlich um mich gewesen war, als ein älterer Mann, der zufällig an Jom Kippur in einer Synagoge
neben mir gestanden hatte, mir seinen Gebetsmantel über den Kopf legte, bis ich darin verschwand und nun mit einem Volk vereint war, das auf ewig zerstreut ist, aber hin und wieder
zusammenkommt, wenn ein Mensch sich mit einem zweiten in dasselbe Stück Stoff wickelt. Ich legte mir sein Kissen aufs Gesicht, küsste es leidenschaftlich, umschlang es mit beiden Beinen
und sagte ihm das, was allen anderen zu sagen mir der Mut fehlte. Dann sagte ich ihm, was ich vorhatte. Es dauerte weniger als eine Minute.
Das Geheimnis hatte meinen Körper verlassen. Was war, wenn er es sah? Wenn schon! Wenn er mich ertappte? Wenn schon. Wenn schon, wenn schon, wenn schon.
Auf dem Weg von seinem zu meinem Zimmer überlegte ich, ob ich verrückt genug sein würde, es noch einmal zu versuchen.
Abends ertappte ich mich dabei, dass ich die Hausbewohner aufmerksam im Auge behielt. Viel früher als gedacht verspürte ich das schmachvolle Verlangen von neuem. Ich hätte mich
ohne Weiteres sofort wieder nach oben schleichen können.
Eines Abends stieß ich in der Bibliothek meines Vaters auf die Geschichte von einem hübschen jungen Ritter, der bis zum Wahnsinn in eine Prinzessin verliebt ist.
Auch sie liebt ihn, ohne sich das so recht einzugestehen, und trotz der Freundschaft, die zwischen ihnen aufblüht oder vielleicht gerade wegen dieser Freundschaft macht ihn ihr erschreckender
Freimut so demütig und sprachlos, dass er es nicht fertig bringt, von seiner Liebe zu sprechen. Eines Tages fragt er sie gerade heraus: »Was ist besser – sprechen oder
sterben?«
Ich hätte nie den Mut, eine solche Frage zu stellen.
Doch was ich in sein Kissen gesprochen hatte, zeigte mir, dass ich zumindest für einen Moment die Wahrheit geprobt, ans Licht gebracht, mit Freuden ausgesprochen hatte, und wäre er
zufällig in dem Augenblick dazugekommen, in dem ich Dinge vor mich hinmurmelte, die ich nicht mal meinem eigenen Spiegelbild ins Gesicht gesagt hätte, hätte mich das nicht
gekümmert – soll er es doch wissen, soll er es doch sehen, soll er mich verurteilen. Nur sag es nicht der Welt, selbst wenn du zur Zeit für mich die Welt bist, selbst wenn in
deinen Augen eine ganze Welt der Verachtung steht. Dieser stahlharte Blick, Oliver – ich würde lieber sterben, als mich ihm zu stellen, nachdem ich es dir gesagt habe.
ZWEITER TEIL
Monets Malplatz
E nde Juli spitzte sich die Situation zu. Nach Chiara hatte es ganz offenbar eine lange Reihe von cotte gegeben, von
Liebschaften, Mini-Flirts, One-Night-Stands, Amouren, was weiß ich. Für mich lief alles nur auf eins hinaus: Sein Schwanz war in ganz B. herum. Er war in weiß Gott wie vielen
Mösen gewesen, weiß Gott wie vielen Mündern. Die Vorstellung amüsierte mich. Es störte mich nie, ihn mir zwischen den Beinen eines Mädchens vorzustellen, während
seine breiten, gebräunten, glänzenden Schultern sich auf und ab bewegten, so wie ich ihn mir an jenem Nachmittag vorgestellt hatte, als ich meine Beine um sein Kissen geschlungen
hatte.
Ich brauchte mir nur seine Schultern anzusehen, wenn er im Himmel an seinem Manuskript arbeitete, um mich zu fragen, wo sie wohl in der vergangenen Nacht gewesen
waren. Wie mühelos und frei sich die Schulterblätter bewegten, wie unbekümmert er sie der Sonne aussetzte. Schmeckten sie für die Frau, die in der vergangenen Nacht unter ihm
gelegen und ihn gebissen hatte, nach Meer? Oder nach Sonnenmilch? Oder nach dem Geruch, der von seiner Bettwäsche
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