Ruge Eugen
sagte Muddel.
Der Pterodactylus saß einen Augenblick reglos. Dann sagte er:
– Wenn ich tot bin, Markus, dann erbst du den Leguan dort im Regal.
– Cool, sagte Markus.
Dass ihm jemand etwas «vererbte», war ihm noch nie passiert, und er war nicht sicher, ob man sich dafür zu bedanken hatte, ob man sich überhaupt freuen durfte. Das hieße ja, sich auf Wilhelms Tod freuen. Aber Wilhelm sagte plötzlich:
– Oder nimm ihn am besten gleich mit.
– Jetzt gleich?
– Nimm mit, sagte Wilhelm, mit mir geht es sowieso nicht mehr lange.
– Aber erst allen guten Tag sagen, rief Muddel ihm hinterher.
Markus ging artig von einem zum anderen und ließ das immer wiederkehrende Der Urenkel, der Urenkel! über sich ergehen, peinlich, klar, aber irgendwie fühlte er sich auch geschmeichelt.
– Die Jugend, flötete eine blondierte alte Frau.
– Da sdrawstwujet, brüllte ein dicker, schwitzender Mann, dessen Gesicht schon ganz rot war vom vielen Reden.
Alle hoben ihr Glas und tranken auf die Jugend.
Opa Kurt drückte ihn sogar – nicht gerade üblich, normalerweise gehörte Opa Kurt eher zu denen, die unnötigen Körperkontakt mieden, was Markus durchaus zu schätzen wusste; überhaupt mochte er seinen Opa, und es tat ihm immer ein bisschen leid, wie Opa sich, wenn er hin und wieder bei seinen Großeltern zu Besuch war, mühte, ihm irgendwelche Spiele beizubringen, aus denen man etwas fürs Leben lernte . So war Opa Kurt: gutmütig, aber anstrengend.
– Wo ist denn Oma Ira, fragte Markus.
– Oma geht es nicht gut, sagte Opa Kurt.
– Ist sie krank?
– Ja, sagte Opa Kurt. So muss man es sagen.
Zum Schluss kam Baba Nadja dran. Ihm grauste ein bisschen vor ihrem Händedruck. Baba Nadja wohnte drüben bei Oma Irina, und wenn man dort zu Besuch war, musste man immer in ihr Zimmer und guten Tag sagen, und dort stank es gewaltig, ein bestimmter, leicht süßlicher Geruch, der einen regelrecht würgen ließ, sodass man versuchte, sofort wieder zu entkommen, sobald man seine Pflicht erfüllt hatte, aber da war die Falle schon zugeschnappt – Hände wie Kneifzangen, die alte Frau, sie packte einen, quasselte einen voll mit ihrem Russisch und zog einen, während die Atemluft knapp zu werden begann, aufs Bett, und ihre Zangenpfoten öffneten sich nicht eher, als bis man eine von ihren ekligen Pralinen gekostet hatte.
Sie meinte es gut, das war klar, und Markus ließ sich nichts anmerken, als er ihr jetzt die Hand reichte, unwillkürlich atmete er durch den Mund und setzte ein irgendwie freundliches Gesicht auf, entschlossen, den Schwall unverständlicher Laute über sich ergehen zu lassen – aber zu seiner Verblüffung sagte Baba Nadja nur ein einziges, zwar falsch (nämlich auf der letzten Silbe) betontes, doch verständliches Wort:
– Affidersin, sagte sie.
Auf Wiedersehen, sagte Markus erleichtert und machte sich auf den Weg.
Zuerst besichtigte er den Leguan, der nun sein Eigentum war: ein prächtiges Exemplar, ganz unbeschädigt, abgesehen von einer fehlenden Kralle. Der Schuppenkamm war ein bisschen verstaubt, und er freute sich schon darauf, ihn zu Hause mit einem feinen Pinsel säubern zu dürfen. Ob er den Leguan gleich in Sicherheit bringen sollte, wer weiß, vielleicht hatte Wilhelm nachher schon wieder alles vergessen – aber wohin? Und es gab ja auch Zeugen für die Schenkung. Er beschloss, seine Besichtigung fortzusetzen, Muddels stumme Aufforderung, sich mit an die Kaffeetafel zu setzen, ignorierend.
Wilhelms Zimmer war weniger interessant als der Wintergarten, abgesehen von dem Leguan und abgesehen vielleicht von dem großen Sombrero und dem Lasso und dem bestickten Ledergurt (mit Revolvertasche!), die in einer zugemauerten Türnische hingen. Dennoch nahm sich Markus die Zeit, alles noch einmal gründlich zu prüfen: das Silberzeug, Schalen und Aschenbecher, aber auch Sachen aus Gold oder aus blauem Kristall, wahrscheinlich sehr wertvoll, die sorgfältig drapiert in extra Abteilungen zwischen den Büchern herumstanden. Es gab auch eine russische Abteilung, darin eine von diesen ineinanderzuschachtelnden Holzpuppen, bemalte Holzlöffel und so ein gläsernes Ding, wo es schneite, wenn man es schüttelte, und mittendrin in dem Ding, winzig: der Kreml. Und Lenin, als Gipskopf, mit angeschlagenem Ohr.
Interessanter waren die Fotos, die in kleinen Stehrahmen auf der halbhohen Vitrine standen: Wilhelm auf einem prähistorischen Motorrad, in Uniform (?) und mit Lederkappe und Brille (nur an der Nase
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