Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
zum Besiegten zu sprechen hatte. Höll' und Teufel – verzeihen Sie, mein alter Freund – ich weiß auch, was Diplomatie ist, aber Macchiavell ist ein Stümper vor solcher Politik. Die Reise nach Mähren wird ein Brandfleck bleiben in der Preußischen Geschichte, ich fürchte, er zerlöchert das ganze Buch. Der boshafte Feind hätte nichts Schlimmeres ersinnen können. Doppelzüngigkeit ist ein mildes Wort. Doppelsinnigkeit! eine doppelte Sinnlosigkeit, denn man weiß heute nicht, ob uns Oestreich oder Rußland mehr hassen, oder Napoleon mehr verachten muß. – Wissen Sie's zu vertheidigen?«
Der Regierungsrath sagte nach kurzem Schweigen: »Nein!« – »Ich überlasse Ihnen das volle Verdammungsrecht über das, was geschehen ist. Aber es ist noch nicht Alles geschehen!«
»Der zweite Baseler Frieden ward in Schönbrunn geschlossen, zehntausend Mal schmählicher als der erste. Wollen Sie ihn noch durch einen dritten überbieten lassen?«
»Dee Vertrag von Schönbrunn ist noch nicht ratificirt, Herr von Eisenhauch. Bis er es ist, lassen Sie uns, lassen Sie mich wenigstens hoffen. Wir sollen Anspach an Baiern abtreten, Cleve, Wesel, Neuchatel an Frankreich, und erhalten dafür das Danaer-Geschenk, die Erlaubniß Napoleons, uns an Hannover schadlos zu halten. Mein Herr, lassen Sie uns hoffen, daß wir diesen Brocken, an dem der Adler ersticken soll, nicht annehmen! Unser Militär knirscht vor Wuth und Erbitterung, es ist ein schlagfertiges Heer; zum Kriege ausgerückt, soll es ohne Krieg zurück? Hören Sie, wie man laut ruft, von den Prinzen und Generalen bis zu den Unteroffizieren und Gemeinen: des Staates Ehre ist verpfändet; die Minister haben sie verkauft, an uns ist es, sie wieder einzulösen! Rußland operirt offen, geheim. Hat Oestreich keine Stimme an unserm Hofe? Es ist still, erbittert, wie nie zuvor. Horchen Sie durch die Straßen, in den Wirthshäusern, es ist nur eine Stimme: noch ist der Augenblick zu handeln! Hören Sie in jeder Gesellschaft, wo zwei, drei zusammenstehen, die Wuth gegen Haugwitz. Es ist kein Tadel mehr, es ist ein allmächtiges Gefühl, das kaum mehr Worte findet. Männer mit weißem Haar spucken beim Namen des Mannes. Er hat Preußens Ehre verkauft! Ein Glück für ihn, daß er nicht hier ist. Die Männer der Clique getrauen sich nicht bei hellem Licht über die Straße; man würde –«
»Vielleicht einen Stein aufheben,« rief Eisenhauch, den Koffer zuwerfend, »aber ehe man ihn wirft, würde man sich besinnen, es sei doch vernünftiger ihn nicht zu werfen. Der Stein könnte ja ein Loch in den Kopf werfen und den Kopf doch nicht öffnen. Was man würde, könnte, möchte, dürfte, das ist alles vortrefflich, was man weiß, ist die Weisheit selbst, aber der Haken ist, daß man nicht thut, was man könnte, möchte, dürfte, und daß, was man weiß, die Erkenntniß zu Schanden wird an der Gespensterfurcht vor dem Entschluß.«
»Ich gebe Ihnen ja alles zu, aber jetzt ist die Volksstimme wie ein Strom, der seine Eisdecke bricht. Die Wuth kennt keine Zügel mehr nach dieser Enttäuschung. Alle Wuth ist blind, wollen Sie mir einwerfen, aber diese ist intensiv und kritisch zugleich. Das ist ein neues Symptom. Man fragt: Warum musste Haugwitz so lange zaudern? Warum reiste er so langsam? Warum ließ er sich wie ein Junge in Brünn behandeln? Warum wie eine
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die man in der Schlacht nicht braucht, nach Wien schicken? Was würde Friedrich zu solcher Vollstreckung seiner Befehle gesagt haben? Seinen Kopf hätte es einem solchen Abgesandten gekostet. Dem Grafen wird es den Kopf nicht kosten, und man fragt schon jetzt, warum? Man wird es immer dringender fragen. Wie lautete sein Auftrag, der ihm so zu handeln erlaubte? Warum reist er so langsam zurück, als er langsam hingereist ist? Warum darf er blumenreiche Zeitungsartikel in die auswärtigen Blätter senden, die uns in den Wahn einlullen sollen, seine Mission sei geglückt, er habe nur ausgerichtet, was sein König ihn aufgetragen? Wer ist hier der Betrogene, wer der Verräther? Klimpert französisches Geld in seiner Tasche, oder ist er der stumme Dulder, der eines Anderen Schuld heroisch auf seine Schultern nimmt? Das, Major, fragt man, man fragt es laut, und Männer fragen es, vor denen unsere Höchsten Respekt haben.«
»Aber was hilft die schärfste Frage, auf die ich keine Antwort bekomme?«
»Preußen sucht zu vermitteln. – Lachen Sie nicht. Zu anderer Zeit würde ich mit Ihnen lachen, jetzt ist es das einzige
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