Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
bischen Bluthusten war? Ob seine ganze Lügenpost nur eine Intrigue, um seiner Geliebten in einer interessanten Situation näher zu kommen? Ob die Madame Lupinus im Recht ist oder die Gargazin? O wer da den Einblick gewönne in dies höchst intrikate wichtige Ränkespiel der beiden Frauen! Ob die Lupinus, wie ihre Freunde sagen, wirklich die Tugendwächterin war für die hübsche Mamsell Alltag? Ob sie das junge Mädchen bewacht und bewahrt hat vor der Leidenschaft für den jungen Wüstling, und ob sie nur in edler Entrüstung zurückwich, als die Sache zu einem öffentlichen Skandal umschlug? Hannibal vor den Thoren, und sie streiten, ob die Gans in Moll oder Dur gegackert hat, als Brennus stürmte!«
»Und das Resultat, Herr Freiherr von Eisenhauch?«
»Daß Deutschland auf den Neumond hoffen mag, auf einen Kometen, auf die Sturmbraut, meinethalben auf Napoleons Großmuth, auf Alles, nur nicht auf Preußen.«
Fuchsius hatte seinen Hut ergriffen: »Wenn eine Epidemie herrscht, lohnt es, dünkt mich, nicht der Mühe, zu untersuchen, wer der Kränkste ist. Leben Sie wohl. Wir sind alle krank, Major, sehr krank. Preußens Genius verzeihe Ihnen, was Sie sprachen, wenn Sie einen gesunderen finden.«
Er hörte nicht mehr die Worte, die mit sonorer Stimme durch die offene Thür in das Zimmer schallten: »Herr Major, eine Beleidigung, dem Staate zugefügt, trifft auch jeden Bürger.«
Den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der Hand, der krampfhaft auf dem Boden hämmerte, stand der Major Rittgarten auf der Schwelle. Unter seinen grauen Wimpern schossen die Augen zornfunkelnde Blicke auf Eisenhauch. Beide mochten sich als Hausgenossen kennen, ohne in nähere Berührung getreten zu sein.
»Was ich gesprochen, war nicht an den Major Rittgarten gerichtet.«
»Noch hoffe ich, daß Sie den Einwand machen, daß er bei offener Thür Sie belauschte.«
»Was ist Ihr Wunsch?«
»Der Staat, den Sie geschmäht, kann nicht von Ihnen Rechenschaft fordern. Ich fordere Sie, ein alter Militär, der unter Friedrich focht und bald dahin geht, wo sein großer König sie von ihm fordern wird.«
Mit dem Mitleid der Achtung blickte der jüngere Militär den älteren an: »Ich ehre Ihren Schmerz und achte Ihren Muth; beide aber nicht als Legitimation, den Handschuh für ein Etwas mir zuzuwerfen, was Sie nicht persönlich betrifft.«
»Sie haben das preußische Militär beleidigt, die Ehrenkränkungen meiner Brüder nehme ich auf mich. Sie haben das Preußische Volk geschmäht, dies treue, gute, rechtliche Volk. Sein Blut rinnt, wenn auch langsam, doch zu heiß noch in meinen Adern, um mit diesem ungerächten Fleck vor meinen König zu treten. Ihre Antwort?«
»Nur eine Frage: war, was ich sagte, unwahr?«
»Zu der Frage haben Sie kein Recht. Sie sind nicht Richter. Nicht unter diesem Dache, nicht auf diesem Boden, der Sie gastlich aufnahm, dürfen Sie das Volk schmähen und den Fürsten, dem das Volk vertraut. Und wenn ich Ihnen antwortete, verstehen Sie meine Sprache nicht.«
»Eh' der Verklagte antwortet, muß er die Klage kennen. Treten Sie für jene Offiziere ein, die ich meinte? Vertreten Sie jene Eitlen, Schwachen, Nichtigen –«
»Ich sagte Ihnen darauf schon meine Meinung.«
»Aber unter Ehrenmännern, ehe man zum äußersten Ernst schreitet, sucht man Verständigung über das, worüber der Streit ist. – Sie haben mich vorhin angehört, ich sprach im Zorn. Lassen Sie mich jetzt auch Sie anhören, ich will auch Ihren Zorn ruhig hören.«
»Kennen Sie unser Volk? Wenn Sie an enem Kranken seine Geschwüre zählen, kennen Sie darum sein Herz und seine Nieren? – Wer justificirt und glorificirt sich denn in seiner Schande? Das Preußische Volk etwa? – Wer schreibt die salbungsvoll duftenden Staatsschriften? – Söldlinge, oft Fremdlinge, die das Volk aus Grund der Seele verachtet. Wen treffen Ihre Epigramme? Spielen die braven Herzen, die in Pommern und Ostpreußen, in Schlesien und Westphalen für des Vaterlandes Ehre schlagen, in Berlin Theater? Sie zucken die Achseln! Wo haben Sie es gefunden, daß das Volk niederträchtig denkt und feig handelt? Sie haben nicht herausgehört das stumme Zähneknirschen, die blutenden Herzschläge, als sie den letzten Rest, wie Sie meinen, seiner Ehre und Ehrlichkeit in den Tiegel warfen. Die warfen hinein als schlechte Verwalter, was sie aufgegriffen. Aber nicht die Herzen des Volkes. Die hat es ihnen nie zum Aufbewahren gegeben, die hat es aufgehoben für eine bessere Zeit. Es ist kein
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