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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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gewissermaßen von den Umständen zum Aventurier gestempelt, gezwungen, sein Alles auf eine Karte zu setzen. Lieber Gott, er ist darum kein Bösewicht, daß er alle Rollen spielt, den brüsken, den sentimentalen, sogar den idealen Liebhaber, um eine reiche Frau zu kapern.«
    »Sind Sie bei Trost? Ich bin ja verheirathel!« – »Daran denkt ein solcher Aventurier nicht. Er hält Alles für erlaubt, und in der Noth kein Band zu fest. Ich kenne solche Menschen.« – »Jetzt schweigen Sie. Sie mögen viele Menschen kennen, aber den Rittmeister Stier von Dohleneck kennen Sie nicht. Ich könnte Ihnen sehr böse werden, spinnefeind, wenn Sie nicht ein so guter Mensch wären. Darum bitte ich Sie, thun Sie mir den Gefallen und – sein Sie still. Kein Wort mehr davon!«
    Er verneigte sich respektvoll: »Ich gehorche dem Befehl, wo ein leiser Wunsch genügt hätte; aber eine Bitte spreche ich im Scheiden aus. Wenn das Traumbild Ihres Glaubens zusammensinkt, wenn Sie sich schwach fühlen, wenn mit Ihrem Vertrauen das Glück des Lebens vor Ihnen zusammenbricht, dann denken Sie, dann rufen Sie mich. Ich werde Ihre Stimme hören, auch wenn hunderttausend Meilen uns trennen, kein Brief mich trifft, keine Taube durch die eisigen Lüfte dringt. Wenn Auguste von Eitelbach gepressten Herzens in ihrem Kummer meinen Namen nennt, wenn sie schluchzend in die Nacht ruft: Ach, wäre er hier, er könnte mir helfen, dann werde ich Ihren Ruf hören, ob ich im tiefsten Schacht der Bergwerke von Irkutzk dem Licht der Gnomen folge, um die Adern edler Erze zu schlürfen, oder einsam schweife auf einem Rennthierschlitten um die kalten Seen Sibiriens – und ich bin bei Ihnen.«
    Ohne einen Händedruck war er nach der Thür geeilt. Sie rief ihm nach: »Nach Sibirien gehen Sie?« – »Warum schaudern Sie, gnädige Frau? Es ist warm auch am Eispol, wenn das Blut im Herzen pulst.« – »Ich dachte nur – ich war in Glogau, als der Erxner, der Raubmörder, nach Sibirien transportirt ward. Was man doch manchmal Närrisches denkt – wenn Sie auch so in Ketten hingeschleppt würden! – So fuhr er auch zusammen, wie Sie jetzt –«
    Er verneigte sich noch einmal und war verschwunden. Sie sah ihm aus dem Fenster nach. So in sich versunken hatte sie ihn noch nicht gesehen. Er erwiderte den Gruß zweier Bekannten nicht. »Er hat nur einen Fehler,« sprach sie bei sich, »er kann den Rittmeister nicht leiden. Aber – aber er wird noch nicht – mit Sibirien hat's gewiß noch gute Weile.«
     

Achtundfünfzigstes Kapitel.
     
»Ob's edler im Gemüth, die Pfeil und Schleudern
Des wüthenden Geschicks erdulden oder –«
    »Thorheit, zu glauben, daß ein Mensch seiner Zeit voraufgeht. Von der Strömung in der Luft werden wir gezogen, wie die Atome dem Athem zufliegen. Es ist das unergründete Gesetz in der moralischen Welt, was den Riesen wie den Zwerg regiert, und die tollste Ironie ist es, der wahnsinnigste Traum unserer trunkenen Phantasie, zu wähnen, daß wir aus eignem freien Impuls die Welt nur um eine Spanne weiter rücken!«
    Zwei Genesene saßen auf einer abgelegenen Bank im Thiergarten, die laue Sommerluft einschlürfend. Der Eine, den Arm in einer schwarzen Binde, – schien seine Krankheit bereits abgeschüttelt zu haben, und das blasse Gesicht röthete sich, während die Glieder oft elastisch zuckten. Es war Walter. Der Andre trug keine sichtliche Verwundung, aber sein kräftiger Geist schien mit einer physischen Mattigkeit im fortdauernden Kampf, und sein auch bleiches Gesicht blitzte von einer verrätherischen Röthe, während das dunkle tiefe Auge gespensterhafte Glanzblitze warf. Es war Louis Bovillard; er halte die obigen Worte gesprochen.

    Walter hatte längere Zeit vor sich hingeblickt; die Lucubrationen des Freundes hatten ihn nicht gestört: »Wo ist das Allgemeinwohl? das ist die Frage. Sitzt's in den Gipfeln? in den Wurzeln? Wo ist das Mark? Wir fühlen es, wie das Wasser den festen Boden unterspült, die Wurzeln vom Erdreich löst, wir fühlen das Annahen des Sturmes. Und noch wäre Rettung möglich, aber die phlegmatische Masse schließt noch die Augen, trunken schreien Einige in die Lüfte, aber sie helfen nicht, nur dem Feinde geben sie ein Zeichen wie es steht. Die zu Wächtern bestellt sind, zu Baumeistern und Steuerleuten, singen uns Schlaflieder zu. Sie zittern nicht vor der Gefahr draußen, nur vor der Aufregung, welche die Furcht davor im eignen Lager verursacht. Wo nun Einer mit dem besten Willen kommt, wo soll er

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