Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
»Ich bin keine Stunde sicher, daß nicht die Pässe und Anweisungen aus Petersburg eintreffen, und darf meines Verweilens nicht mehr lange sein. Die Akademie in Petersburg hat zu meiner Beschämung eine so dringende Vorstellung an Seine Majestät den Kaiser gerichtet, die Untersuchung der Bergwerke für so wichtig erklärt, und meine geringen Kenntnisse so hoch angeschlagen, daß ich undankbar wäre, wenn ich dem ehrenvollen Rufe zu folgen nur einen Augenblick zauderte.« – »Ihre Verdienste in Ehren, aber – die Gargazin wird sie wohl recht ausgeschrieen haben.« – »Erlaucht hat allerdings auch Güter in Asien, und einige Bergstriche versprechen, wenn mein Auge aus der Ferne sich nicht täuscht, unter geschickter Hand eine ungewöhnliche Ausbeute.« – »Nach Asien wollen Sie, Herr Gott, das ist weit.« – »Bis an die chinesische Grenze. Sie mögen denken, wie schwere – sehr schwere Opfer es mich kostet!« »Wie so denn?« – »Muß ich nicht meine eigenen Güter in Thüringen verlassen?« – »Wissen Sie, was mein Mann sagt? – Die möchte er nicht geschenkt haben; wenn Sie nicht die Feldsteine zu Klößen kochen lernten, müsste 'ne Kirchenmaus drauf verhungern.« – »Ei, Ihr Herr Gemahl auch Oekonom? Ich hielt ihn nur für einen Spekulanten. Für den glücklichsten, weil – er das große Loos gezogen hat.«
Die Baronin lachte ihn recht herzlich an: »Damit meinen Sie mich; mir verbergen Sie nichts. Wenn Sie aber meinen Mann fragen, so sagt er Ihnen, es wäre seine schlechteste Spekulation.« – »Ich halte viel auf Ihren Herrn Gemahl. Ueber dem tiefen Schacht von Wissen und Erfahrung spielen wie Schmetterlinge Humor und Witz. Ich weiß seinen kaustischen Witz zu schätzen; weil ich ihn verstehe, verwundet er mich nicht wie Andere, und es thut mir aufrichtig leid, daß unsere verschiedenen Berufsgeschäfte uns so selten zusammenführten. – Glauben Sie mir, auch von ihm wird mir die Trennung schwer.« – »Von wem denn sonst noch! Von der Geheimräthin oder der Fürstin! oder – oder – oder« – »Verdiene ich diese Bitterkeit? Die Baronin Eitelbach sieht mich gern scheiden.« – »Nein, weiß Gott, nein, ich plaudere gern mit Ihnen. Ich glaube Ihnen nicht alles, was Sie sagen, aber es hört sich so hübsch an. Es klingt, als ob man mit Ihnen in die Wolken fliegen müsste.« – »Seele mit dem Taubenauge und dem Blick des Adlers, erlauben Sie mir, den Bruderkuß auf die Stirn der Schwester zu drücken.«
Sie wehrte ihn, als er im Begriff war es zu thun, sehr entschieden zurück: »Sie sind es noch nicht. Wenn's so weit ist, wollen wir uns besinnen.« – » Einen Wunsch erlauben Sie mir wenigstens, mit den Lippen auf Ihre schöne Hand zu hauchen.« – »Hauchen Sie aber nicht zu lange.« – »Wie Sie in meine Seele blicken, möchten Sie eben so klar in die des Rittmeisters blicken! Jetzt noch nicht, aber später, wenn ich fort bin.« – »Warum denn jetzt nicht?« – »Jetzt hat er genug Beschäftigung mit der kleinen Choristin.« – »Welche Choristin?« – »Die in der Geisterinsel die Herzen entzückt. Sie wissen ja.« – »Sie sind ein abscheulicher Mensch.« – »Vielleicht irre ich mich auch. Sein Neffe, der Kornet, bezahlt sie, und die böse Welt sagt: für seinen Onkel. Doch, wie gesagt, das mag nur Gerede sein. Und wäre es, ist's ein Versuch, seinen Schmerz zu betäuben. Das will ich ihm verzeihen. Aber – ich glaube, es ist vielleicht besser, ich schweige.«
»Nein, jetzt ist's besser, Sie reden. Das ist eben so abscheulich von Ihnen, daß Sie einen Stachel Einem ins Herz senken, und dann laufen Sie fort. Man quält sich, was es ist, und dann ist's am Ende nichts.«
»Auch ich hoffe, daß es nichts ist. Das ist das Opfer, welches ich Russland und der Wissenschaft bringe, jetzt von so vielen Freunden mich loszureißen, die vielleicht meiner Hülfe bald bedürfen. Einer Eigenschaft rühme ich mich – ich ward frei von Affekten, ich blicke in die Zukunft, in die Seelen der Menschen, die Fältchen und die Schleier derselben täuschen mich nicht. Der Rittmeister ist, ja ich gebe es zu, was man nennt, ein guter Mensch, aber verschuldet, bis über die Ohren verschuldet. Der Krieg konnte ihn retten. Nun bleibt Friede. Er muß alle Anstrengungen machen, sich über dem Wasser zu halten. Damals, als es losgehn sollte, überkam ihn ein nobler Impuls; das ist nun vorüber, er ist Mensch, ein armer Edelmann, ein Offizier, auf seine Gage angewiesen, von Gläubigern gedrängt,
Weitere Kostenlose Bücher